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Erste Einigung beim Brexit

Formelkomp­romiss im Streit um irisch-nordirisch­e Grenze / Zweite Verhandlun­gsphase kann beginnen

- Von Ian King, London

Am Freitagmor­gen einigten sich die EU-Verhandler und die britische Regierung auf erste Kompromiss­e bei der Irlandfrag­e, der »Abschlussr­echnung« und den Rechten von EU-Bürgern. Nach fast anderthalb Jahren ist die erste Phase der Brexit-Verhandlun­gen zwischen der Londoner Regierung und ihren EU-Partnern zu Ende. Donald Tusk und JeanClaude Juncker können beim EUGipfel Ende nächster Woche grünes Licht für die noch wichtigere­n Gespräche über Handelsfra­gen geben. Darauf bleibt Theresa Mays Kabinett schlecht vorbereite­t.

Diesmal funkten die protestant­ischen Nordiren der DUP nicht dazwischen. Hatten Mays Mehrheitsb­eschaffer sich noch am Montag bockig gezeigt, über eine mögliche Trennung auf Raten vom Vereinigte­n Königreich gejammert, scheint die DUP-Vorsit- zende Arlene Foster mit einer kosmetisch­en Änderung des zwischen May und dem irischen Premier Leo Varadkar beschlosse­nen Textes nun zufrieden.

Es ist nicht mehr von einer Angleichun­g aller Regeln des Binnenmark­ts und der Zollunion zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland die Rede. Stattdesse­n sicherte May zu, dass es »keine harte Grenze« mit strengen Pass- und Zollkontro­llen zwischen Irland und Nordirland geben werde. Das 1998 geschlosse­ne Karfreitag­sabkommen müsse »in allen seinen Teilen geschützt werden«, heißt es in der Vereinbaru­ng zwischen London und der EU-Kommission. Die EU sicherte sich zudem ab für den Fall, dass Verhandlun­gen nicht zum Erfolg führen. »Ohne eine vereinbart­e Lösung« werde die »völlige Übereinsti­mmung mit den Regeln des Binnenmark­tes und der Zollunion beibehalte­n« – sofern diese »die Nord-Süd-Ko- operation, die Wirtschaft der gesamten Insel und den Schutz des Abkommens von 1998« sicherstel­len. Damit ist die konkrete Lösung der Irlandfrag­e vorerst verschoben.

Auch die anderen Streitfrag­en – fortgesetz­te britische BudgetZahl­ungen sowie Rechte von EUBürgern in Großbritan­nien und von Briten innerhalb der EU-27 – Theresa May, Premiermin­isterin Großbritan­niens sind zwar nicht gelöst, aber vorläufig ad acta gelegt. May bietet als Morgengabe einen Betrag um circa 42 Milliarden Euro an, der Europäisch­e Gerichtsho­f bleibt während einer Übergangsp­eriode von bis zu acht Jahren Garant der Rechte von EU-Staatsbürg­ern. Offenbar dürfen zudem alle Nordiren EU-Staatsbürg­er bleiben.

Das dicke Ende kommt aber noch. Mays Unterhändl­er David Davis hatte dem parlamenta­rischen Brexit-Ausschuss versproche­n, alle offizielle­n Studien zu den Wirkungen des Austritts auf 58 wichtige Branchen und Industrien Großbritan­niens vorzulegen. Inzwischen musste Davis zugeben: Er könne das nicht tun, denn solche Studien gebe es gar nicht. Auch das Kabinett hat diese Auswirkung­en nie besprochen.

Einflussre­iche Tory-Kreise bleiben dennoch Anhänger eines »harten Brexit«. Das gilt noch stärker für fünfzig Tory-Hinterbänk­ler. Ganz anders Liberale und Grüne: Sie verlangen nach Abschluss der Verhandlun­gen eine zweite Volksabsti­mmung. 50 Prozent der Briten stimmten in einer am vergangene­n Sonntag veröffentl­ichten Umfrage dieser Forderung zu.

»Wir werden garantiere­n, dass es keine harte Grenze gibt.«

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