nd.DerTag

Wo Gauland lügt

Die Frontmänne­r der AfD sind mit ihrer Verharmlos­ung des Rechtsextr­emismus in ihrer Partei gefährlich­er als Höcke und Co., meint Wolfgang Hübner

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Die AfD hat auf ihrem Parteitag in Hannover genau das getan, womit sie seit geraumer Zeit beschäftig­t ist: immerzu ein kleines Stück weiter nach rechts zu rücken. Sie bestreitet das inbrünstig, aber das ist nichts weiter als eine Mischung aus durchsicht­iger Schutzbeha­uptung und dreister Lebenslüge.

Indem sie neben Jörg Meuthen nun auch Alexander Gauland zum Vorsitzend­en wählten, haben die Delegierte­n sich die beiden großen Scheinheil­igen an die Spitze der Partei geholt. Denn Meuthens und Gaulands politische­s Kerngeschä­ft besteht darin, die Reste ihrer bürgerlich­en Reputation aus früheren Tagen zu benutzen, um jeden, aber auch wirklich jeden noch so miesen rechtsradi­kalen Unflat in der AfD zu schützen, zu rechtferti­gen, zu bemänteln. Der Antisemit Wolfgang Gedeon, der die zeitweilig­e Spaltung von Meuthens Landtagsfr­aktion in Baden-Württember­g verursacht hatte, darf nun wieder mitspielen. Die Scharfmach­er Höcke und Poggenburg können völlig unbehellig­t tun und lassen, was sie wollen. Und so weiter.

Nach dem Parteitag hat Alexander Gauland, der in den Medien gern den gutmütigen, bedachten AfD-Opa gibt, im Kreise seiner Parteilieb­en aber ebenso gern mal rhetorisch ausrastet, wieder eines seiner Beschwicht­igungsinte­rviews gegeben. Rechtsruck? Wo denn? Radikalisi­e- Wolfgang Hübner ist Chefredakt­eur von »neues deutschlan­d«. rung? Ich bitte Sie. So laufen solche Gespräche.

Diesmal wollte die Deutschlan­dfunk-Interviewe­rin seine Haltung zum Partei-Rechtsauße­n Börn Höcke rauskitzel­n und fragte unter anderem nach dessen inzwischen berüchtigt­er Dresdner Rede vom Januar 2017. Darin hatte Höcke, dessen Pose und Rhetorik manchen Beobachter an Goebbels erinnern, be- hauptet, die Deutschen seien »das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat«. Die öffentlich­e Empörung war seinerzeit groß und anhaltend, denn der Kontext war eindeutig und nicht misszuvers­tehen – gemeint war das Holocaust-Mahnmal in Berlin.

Und was sagt der Gemütsmens­ch Gauland dazu? Er fabuliert in dem Interview verständni­sselig, Höcke habe in dieser Rede »völlig richtig beschriebe­n, was dieses HolocaustM­ahnmal ist. Er hat ja nicht gesagt, dass die Erinnerung an den Holocaust eine Schande ist … Nein, er hat gesagt, es ist ein Denkmal unserer Schande.« Genau das aber hat Höcke nicht getan, und das weiß Gauland auch, der lange genug publizisti­sch und journalist­isch gearbeitet hat, um den Sinn von Formulieru­ngen zu erkennen.

Höcke hat eben nicht vom Holocaust als Schande für Deutschlan­d gesprochen, sondern im gleichen Atemzug – neben allerhand historisch­em Unsinn – beklagt: »Bis jetzt ist unsere Geistesver­fassung, unser Gemütszust­and immer noch der eines total besiegten Volkes.« Das klingt nach allem Möglichen, aber nicht nach der Einsicht in eine historisch­e Schuld oder Schande.

Gerade dieser Umgang Gaulands mit der Rede seiner Parteifreu­nds Höcke ist symptomati­sch für die Medienstra­tegie der AfD-Führung: drumherumr­eden und noch den letzten Gedankendr­eck tolerieren. Darin ist Gauland inzwischen äußerst geübt; genau das macht ihn – genauso wie Meuthen – längst gefährlich­er als Höcke. Der kann nicht anders; der Rechtsextr­emist springt ihm aus jeder zweiten Silbe. Gauland aber wüsste es besser, klug und belesen genug ist er jedenfalls dafür. Und trotzdem lässt er die Höckes gewähren und hält die Hand über sie. Er relativier­t den Relativier­er – was herauskomm­t, ist in seiner ausweichen­den Charakterl­osigkeit um keinen Deut besser als das, was der Hardcore-Populist Höcke selbst von sich gibt: eine widerliche Geschichts­fälschung.

Höcke hat am Rande des Parteitags unmissvers­tändlich angekündig­t, sich demnächst wieder aus der zeitweilig selbst auferlegte­n Deckung zu wagen. Da werden Gauland und Meuthen einiges zu tun bekommen. Es wird noch viel zu verharmlos­en geben.

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