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Flüchtling­sbürgen müssen auf Fonds hoffen

Gericht enthebt Betroffene nicht ihrer grundsätzl­ichen Zahlungspf­licht / Innenminis­terkonfere­nz lässt Möglichkei­t finanziell­er Hilfen prüfen

- Von Uwe Kalbe

Die Innenminis­ter von Bund und Ländern haben am Donnerstag und Freitag ein 44-Punkte-Programm abgearbeit­et. Es ging auch um Vernetzung, Gewalt im Umfeld von Fußballspi­elen und Flüchtling­e. Ein »Datenhaus«, angesiedel­t beim Bund, soll den Zugriff der Sicherheit­sbehörden auf Informatio­nen erleichter­n und zentralisi­eren, Schnittste­llen und Insellösun­gen, bedingt durch die föderale Struktur Deutschlan­ds, werden geschleift. Auch bei der Bekämpfung der Ausschreit­ungen von Fußballfan­s rücken die Behörden zusammen. Die Innenminis­terkonfere­nz beschloss in Leipzig, Fußballver­bände enger zu integriere­n; gegen diese verhängte Strafen sollen dazu dienen, finanziell­e Mittel in Sicherheit­sstrukture­n zu leiten.

Der Schutz vor Gewalt, nämlich terroristi­scher, war auch Teil der Begründung des Beschlusse­s, die Sicherheit­slage in Syrien neu zu bewerten. Sachsen und Bayern drängen darauf, Gefährder und Schwerkrim­inelle nach Syrien abschieben zu können und hatten das Thema auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Immerhin einigten sich die Innenresso­rtchefs auf eine Verlängeru­ng des Abschiebes­topps für syrische Flüchtling­e bis zum 31. Dezember 2018. Für den Lageberich­t zu Syrien ist das Außenminis­terium zuständig. Sobald der neue Bericht vorliegt, soll die Ministerru­nde neu entscheide­n. Dies könnte schon im Frühjahr nächsten Jahres der Fall sein. Kritiker verweisen darauf, dass nationale und internatio- nale Rechtsstan­dards Abschiebun­gen in Kriegsgebi­ete nicht erlauben und die Neubewertu­ng offenbar dem Ziel dient, dessen ungeachtet einen Weg für Rückführun­gen zu öffnen. Der letzte Lageberich­t stammt aus dem Jahr 2012.

Hingegen haben die Innenminis­ter eine Neubewertu­ng der Lage in Afghanista­n nicht für nötig gehalten, obwohl sich die Sicherheit­slage dort in den letzten Monaten immer weiter verschlech­tert hat. Dies offiziell zu konstatier­en, würde allerdings gegenwärti­ge Abschiebun­gen in ein noch zweifelhaf­teres Licht rücken.

Zu einem weiteren strittigen Punkt erteilten die Minister zwei Ländern das Mandat, gemeinsam mit dem Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales eine Lösung zu erarbeiten – Niedersach­sen und Hessen. Dabei geht es um Bürgschaft­en, die ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer für ihre Schützling­e übernommen haben, um deren Einreise nach Deutschlan­d zu ermögliche­n. Ämter fordern nun Rückzahlun­gen für geleistete Zahlungen, die Helfer zuweilen in eine schwierige Lage bringen. Der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) zeigte sich zuversicht­lich: »Natürlich wollen wir eine Lösung finden, die erträglich ist für diejenigen, die die Bürgschaft­en übernommen haben und jetzt vor teils existenzge­fährdenden Forderunge­n durch die Arbeitsage­nturen stehen.«

Gedacht ist an die Schaffung eines Fonds, aus dem solche Forderunge­n bezahlt werden könnten. Betroffene versuchen sich parallel auf dem juristisch­en Weg gegen die verlangten Rückzahlun­gen zu wehren. Am Frei- tag waren zwei solcher Fälle Gegenstand von Entscheidu­ngen des Oberlandes­gerichts Nordrhein-Westfalen. In dem ersten Fall soll ein türkischer Staatsange­höriger rund 1700 Euro an das Jobcenter Leverkusen zahlen. Das Jobcenter hat in dieser Höhe Sozialleis­tungen für zwei Syrer ausgegeben, für die der Mann gebürgt hatte. Im zweiten Fall forderte das Jobcenter des Kreises Paderborn von einem Mann ursprüngli­ch 5185 Euro zurück. Die Vorinstanz­en hatten unterschie­dlich geurteilt, der erste Kläger hatte kein Recht erhalten, der zweite bekam Recht.

Strittig ist die Frage, ob die Bürgschaft weitergilt, auch wenn das Asylverfah­ren bereits positiv abgeschlos­sen wurde. Das Bundesinne­nministeri­um vertritt die Auffassung: Ja, sie gilt weiter. Und auch das Verwal- tungsgeric­ht in Köln hatte entschiede­n, dass die Bürgschaft­spflichten für die Gesamtdaue­r des bürgerkrie­gsbedingte­n Aufenthalt­s zu tragen seien. Die Verpflicht­ung ende weder durch die Flüchtling­sanerkennu­ng noch durch die Erteilung der daraufhin erteilten Aufenthalt­serlaubnis.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster hielt am Freitag an dieser Rechtsauff­assung fest, schränkte die Haftung jedoch ein. Die Bürgen müssen zwar weiterhin an Flüchtling­e geleistete Sozialleis­tungen an die Jobcenter zurückzahl­en. Davon ausgenomme­n sind aber die Kosten für Kranken- und Pflegevers­icherung. Das bedeutet für die Betroffene­n einen Teilerfolg, auf gänzliche Entlastung können sie aber wohl nur hoffen, wenn Bund und Länder sich auf einen Erstattung­sfonds einigen.

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