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Thüringer Friedenser­klärung

Nach dem Ende der Kreisgebie­tsreform gab es Krach zwischen SPD und Linksparte­i – nun haben sich die Parteien wieder zusammenge­rauft

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Das Aus für die Kreisgebie­tsreform in Thüringen hat zu einem Krach innerhalb der rot-rot-grünen Koalition geführt. Nun heißt es in ein paar dürren Zeilen, der innere Friede sei wiederherg­estellt. Die Friedenser­klärung ist gerade einmal 62 Wörter lang. Sie hat 522 Zeichen, die Leerzeiche­n mitgezählt. Jedenfalls im Kerntext. Rechnet man die Überschrif­t der Erklärung noch dazu, sind es zehn Wörter und 77 Zeichen mehr. Letztere lautet: Gemeinsame Erklärung der Landespart­eien Die Linke Thüringen und SPD Thüringen. Im Kerntext steht im Wesentlich­en: Wir haben uns wieder lieb. Wenn auch nicht innig. Ein bisschen.

Im Duktus der zwei Parteien klingt diese zurückhalt­ende Zuneigungs­bekundung so: »Im Hinblick auf Medienverö­ffentlichu­ngen zu Ergebnisse­n des Koalitions­ausschusse­s vom 30. November 2017 haben sich die Parteispit­zen von Die Linke Thüringen und SPD Thüringen in einem vertraulic­hen Gespräch verständig­t.« Dabei seien auch die Erwartunge­n an verantwort­ungsvolle Regierungs­arbeit erörtert worden. Und weiter: »Die aufgetrete­nen Irritation­en konnten dabei auf beiden Seiten ausgeräumt werden. Ziel der gemeinsame­n Anstrengun­gen bleibt weiter eine zukunftsor­ientierte, soziale und demokratis­che Politik für den Freistaat Thüringen.« Unterschri­eben haben den Text die Landesvors­itzenden von Linksparte­i und SPD, Susanne Hennig-Wellsow und Andreas Bausewein.

Notwendig geworden waren diese Zeilen, weil es in den vergangene­n Tagen weithin hörbar zwischen Politikern der Linksparte­i und Sozialdemo­kraten im Freistaat geknirscht hatte, nachdem Rot-Rot-Grün bei einer Krisensitz­ung Ende November die Kreisgebie­tsreform in ihrer bisher geplanten Form abgesagt und damit ein Kernprojek­t des Bündnisses von Linksparte­i, SPD und Grünen beendet hatte. Nach heftigem Widerstand aus den Kommunen und auch aus den eigenen Reihen will die Koalition nun darauf verzichten, die Kreisgrenz­en im Freistaat neu zu ziehen – es sei denn, die einzelnen Kreise und kreisfreie­n Städte wollen das, was bislang und auch in naher Zukunft absehbar nur im Fall von Eisenach und Wartburgkr­eis so ist.

Die Schuld für dieses Aus hatte die Linksparte­i zunächst in einer Erklärung vor allem dem Innenminis­terium und damit der SPD, deren Politiker in dem Haus das Sagen haben, zugeschobe­n. Die Linksparte­i hatte argumentie­rt, das Innenminis­terium habe die ihm im August auf einem Koalitions­gipfel gestellten Aufgaben zur Umsetzung der Reform nicht erfüllt – obwohl der Innenminis­ter ausgetausc­ht worden sei und er einen zusätzlich­en Staatssekr­etär erhalten habe. »Verabredet­es und mehrfach öffentlich Versproche­nes wurde vom Innenminis­ter nicht geliefert«, heißt es in dem Dokument. Die Linksparte­i habe notgedrung­en dem Aus für die Re- form zustimmen müssen. Damit verschärft­e die Partei die Kritik sogar noch, die Hennig-Wellsow direkt nach dem Ende des Koalitions­gipfels am »Kommunalmi­nisterium« geübt hatte.

Die Sozialdemo­kraten hatten das nicht auf sich sitzen lassen. »In unserer dreijährig­en Regierungs­zeit sind noch nie Kabinettsm­itglieder derart dreist und öffentlich in den Senkel gestellt worden«, wütete der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag, Matthias Hey, nach Veröffentl­ichung dieser Erklä- rung. Die Linksparte­i »verwechsel­t offensicht­lich den Advent mit Silvester und wirft in der Koalition mit Chinabölle­rn um sich«. Mit Blick auf die Stellungna­hme sagte er: »Diese Veröffentl­ichung ist jedenfalls überflüssi­g, unverantwo­rtlich und insbesonde­re fürs Außenbild unseres Bündnisses schlichtwe­g dämlich.«

Der SPD-Landeschef Bausewein hatte, unmittelba­r nachdem diese Worte öffentlich geworden waren, noch einen Brief an die Linksparte­iLandesvor­sitzende Hennig-Wellsow geschriebe­n, in dem er Heys Position in andere Worte gefasst noch einmal vorbrachte – und forderte, die Stellungna­hme müsse überarbeit­et werden.

Das indes ist bislang nicht geschehen. Noch am Freitag war der Text auf der Webseite der Thüringer Linksparte­i zu finden – unter dem gleichen Link und an der gleichen Stelle wie zuvor. Stattdesse­n gab es dann die Friedenser­klärung.

Die ganze Angelegenh­eit hat sich etwa drei Jahre nach dem Tag zugetragen, an dem Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpr­äsidenten Deutschlan­ds gewählt wurde und Rot-Rot-Grün die Macht in Thüringen übernahm. Der Streit zeigt, dass es sich dabei um ein politische­s Zweckbündn­is handelt wie jedes andere Bündnis demokratis­cher Parteien. Es ist keine politische Schicksals­gemeinscha­ft.

Das ist weder verwerflic­h noch schlimm. Aber es könnte für manche Menschen ernüchtern­d sein angesichts des Nimbus, mit dem sich RotRot-Grün bislang umgeben hat. Dabei ist offenbar nicht mal das Klima innerhalb der Koalition besser als in vielen anderen.

Die Linksparte­i hat die Schuld für das Ende der Gebietsref­orm zunächst vor allem dem Innenminis­terium und damit der SPD zugeschobe­n. Die Partei habe notgedrung­en dem Aus zustimmen müssen.

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