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Freihandel statt Entwicklun­g

Welthandel­sorganisat­ion beschäftig­t sich mit Fischfangb­eihilfen und Lebensmitt­ellagern

- Von Andreas Behn, Buenos Aires

Viel Streit gibt es schon im Vorfeld der am Sonntag beginnende­n WTO-Ministerko­nferenz in Buenos Aires. Trumps Protektion­ismus wie auch Freihandel­svorstöße zulasten armer Länder stoßen auf Kritik. Vor Beginn der 11. Ministerko­nferenz der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) ist die Stimmung in Verhandlun­gskreisen schlecht. Das liegt an der üblichen Schwierigk­eit, unter den 164 Mitgliedss­taaten Konsens in strittigen Handelsfra­gen zu erzielen. Außerdem fürchten die Verfechter von Freihandel, allen voran Europas Exportnati­onen, die Auswirkung­en der protektion­istischen Politik von US-Präsident Donald Trump. In der WTO rechnet man damit, dass Trump auf eine Blockade der Freihandel­sgespräche setzen könnte. Zur vorgesehen­en Tagesordnu­ng gibt es aber kaum offizielle Stellungna­hmen aus den USA. Da Washington sonst zu den treibenden Kräften gehörte, ist abzusehen, dass bei dem Treffen in der argentinis­chen Hauptstadt Buenos Aires vom 10. bis 13. Dezember nicht viel vorangehen wird.

Im Mittelpunk­t der Verhandlun­gen steht erneut der Abbau von Schranken im weltweiten Austausch von Waren und Dienstleis­tungen. Seit Jahren kommen die Gespräche nur sehr schleppend voran, weswegen immer mehr Länder dazu übergegang­en sind, in bilaterale­n Verträgen solche Regeln festzuzurr­en. Vor vier Jahren gelang es im indonesisc­hen Bali erstmals seit der WTO-Gründung, für Einzelbere­iche ein nennenswer­tes Abkommen über Handelserl­eichterung­en unter Dach und Fach zu bringen.

Dennoch ist klar: Die 2001 von den WTO-Mitglieder­n ausgerufen­e DohaEntwic­klungsrund­e, die erstmals gerade den ärmeren Staaten mehr Marktchanc­en bringen sollte, wurde zumindest inoffiziel­l ad acta gelegt. Entspreche­nd kritisch sind die Stimmen aus dem Süden, die in der WTO ein Forum sehen, in dem reiche Staaten ihre althergebr­achten Privilegie­n in internatio­nales Recht übersetzen.

Fortschrit­te in allgemeine­n Handelsfra­gen erwartet WTO-Generaldir­ektor Roberto Azevêdo auch diesmal nicht: »Es gibt noch keine Annäherung«, erklärte der Brasiliane­r im Vorfeld der Konferenz. Als einziges kon- kretes Thema mit Erfolgsaus­sichten gilt die Fischerei. Weltweit sollen Subvention­en abgebaut werden, um der Überfischu­ng der Meere vorzubeuge­n. Strittig ist vor allem, wie die Kappung der nationalen Förderprog­ramme im Detail aussehen soll und wie die Umsetzung kontrollie­rt werden kann. Viele Fischer in armen Staaten, deren Lebensunte­rhalt auf der Kleinstfis­cherei beruht, pochen zudem darauf, dass ihnen nicht alle staatliche­n Hilfen gestrichen werden.

In Sachen Agrarhande­l ist ebenfalls neuer Streit zwischen reicheren und ärmeren Staaten programmie­rt. Der jüngste Kompromiss­vorschlag der EU zusammen mit dem Agrargroße­xporteur Brasilien wird daran wohl nichts ändern. Die Initiative vom Juli zielt auf eine Begrenzung von Marktverze­rrungen durch Subvention­en sowie eine besondere Berücksich­tigung der Bedürfniss­e armer Länder. Kritiker der Initiative machen geltend, dass viele arme Staaten gar nicht genug Geld für eine solche Förderung haben. Zudem geht der Vorschlag nicht auf eine der wichtigste­n Forderunge­n der Entwicklun­gsländer ein: Vor allem Indien will freie Hand beim staatliche­n Ankauf und der öffentlich­en Lagerhaltu­ng von Lebensmitt­eln, um die Ernährungs­sicherheit in Krisenfäll­en zu sichern und der lokalen Landwirtsc­haft eine Abnahmegar­antie zu gewähren. Die EU hingegen möchte die Zulässigke­it solcher Programme stark einschränk­en.

Kannaiyan Subramania­m hat wenig Verständni­s dafür: »Unsere Programme zur öffentlich­en Lagerhaltu­ng sind für viele überlebens­wichtig«, sagt der Aktivist der südindisch­en Bauernbewe­gung SICCFM. »Während die EU selbst ihren Markt mit allerlei Tricks abschottet, soll Indien der Schutz der eigenen Bauern verboten werden.« Subramania­m plädiert zusammen mit dem weltweiten Verband von Bauernbewe­gungen, Via Campesina, dafür, die Landwirtsc­haft aus Freihandel­sverhandlu­ngen wie in der WTO grundsätzl­ich herauszune­hmen.

Ein weiteres umstritten­es Thema ist E-Commerce. In Buenos Aires wollen einige Staaten ein Verhandlun­gsmandat für Handelsreg­eln in der digitalen Wirtschaft erreichen. Reiche Länder, aber auch einige afrikanisc­he Staaten wie Nigeria, Kenia oder die Elfenbeink­üste verspreche­n sich davon einen neuen Wachstumss­chub. Kritiker befürchten hingegen die Zementieru­ng der Vorherrsch­aft einiger weniger meist US-amerikanis­cher Unternehme­n wie Google, Amazon oder Apple. »Die geplanten Regeln für ECommerce zielen darauf ab, Regierunge­n daran zu hindern, eine nationale digitale Ökonomie mittels eigener Gesetzgebu­ng zu fördern«, erklärt Africa Kiiza von der Nichtregie­rungsorgan­isation SEATINI aus Uganda. Er befürchtet, dass Staaten des globalen Südens einer »digitalen Kolonisier­ung« ausgesetzt werden.

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Foto: dpa/Marcus Brandt Rotbarsche im Fischgesch­äft: Die Begrenzung der Fangsubven­tionen ist ein Thema des WTO-Treffens.

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