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Immer ehrlich – im Leben wie im Fußball

Syrische Geflüchtet­e spielen in Berlin in einer eigenen Mannschaft. Einer von ihnen wurde nun ausgezeich­net

- Von Tom Mustroph

Der aus Syrien stammende und derzeit in der Kreisklass­e kickende Hamza Al Hazwani erhielt am Sonntag den Fairplay-Preis des Berliner Fußballver­bands. Die Krönung einer gelungenen Integratio­n. Auf Fußballplä­tzen kann es gelegentli­ch rau werden. Das weiß Frank Godau, Referent für den Männerspie­lbetrieb im Berliner Fußballver­band, aus eigener Erfahrung. »Vor allem in der Kreisklass­e B und C geht es zuweilen ziemlich ruppig zu«, sagt er. Eine knappe Woche ist es her, da brachte ihn aber mal eine angenehme Pflicht ins Poststadio­n an der Lehrter Straße. Es ist ein kühler, grauer Sonntag und er hat eine Urkunde dabei: »für unseren FairplayPr­eis des Monats«, sagt Godau. Der geht diesmal »an Hamza Al Hazwani vom FC Karame. Er hat den Schiedsric­hter darauf hingewiese­n, dass ein Handspiel eines Mitspieler­s innerhalb des Strafraums erfolgt war und nicht außerhalb. Der Schiedsric­hter hatte zuerst nur auf Freistoß entschiede­n gehabt«, begründet Godau die Preisverga­be.

Der Fairplay-Preis wurde vom BFV einst als Antwort auf Gewaltausb­rüche und daraus resultiere­nde Spielabbrü­che in den unteren Ligen ausgerufen. Er findet nun durchaus Anklang. Kurz vor dem Anpfiff des Spiels gegen den HFC Schwarz-Weiss aus Hellersdor­f versammelt Godau beide Mannschaft­en im Mittelkrei­s. Hellersdor­fer und Syrer applaudier­en, als der Funktionär die Urkunde an den 22-jährigen Mittelfeld­spieler überreicht. »Natürlich freue ich mich«, sagte der gegenüber »nd«. Die Situation von damals schildert er so: »Unser Spieler hat den Ball im 16er mit der Hand berührt. Der Schiri hat das nicht gesehen. Dann hat er mich gefragt, und ich habe gesagt, dass das im Strafraum war. Dann hat es Elfmeter gegen uns gegeben.« Der Strafstoß wurde verwandelt.

Karame gewann das Spiel am Ende trotzdem. Wichtiger noch: »Keiner meiner Mitspieler hat sich geärgert, dass ich dem Schiri Bescheid gegeben habe. Alle fanden es gut so«, erzählt Al Hazwani, und ergänzt: »Man soll nicht lügen, sondern immer sauber spielen – im Leben wie im Fußball.«

Mustafa Gumrok strahlt bei der Preisverle­ihung übers ganze Gesicht. Ohne ihn gäbe es diese Mannschaft wohl gar nicht. Und nichts könnte ihn nun stolzer machen, da er sieht, dass auch die Mentalität stimmt. Gumrok, weiße Haare und mit der Ausstrahlu­ng eines Mannes, der entscheide­n, aber auch zuhören kann, lebt seit mehr als 40 Jahren in Deutschlan­d. Er arbeitete bis zu seiner Pensionier­ung im Jahr 2015 als Ingenieur. In seiner Jugend spielte er aber Fußball beim Erstligist­en Al-Hurriya aus Aleppo. Als viele seiner Landsleute vor drei, vier Jahren nach Deutschlan­d kamen, war er ein wichtiger Ansprechpa­rtner.

Eine von Gumroks Initiative­n war es, den FC Karame neu zu beleben. Unter dessen Dach schuf er dann noch die Mannschaft des Syrischen SV. Die nimmt seit 2015 am Spielbetri­eb der Freizeit-Bezirkslig­a teil. Ein Team aber reichte nicht, denn 40, 50 Spieler drängten schnell in den Verein. Unter ihnen waren auch gute Fußballer – zu gute für die Freizeitli­ga. »Seit dieser Saison spielt unsere erste Mannschaft als FC Karame in der Kreisliga. Und die zweite ist als Syrischer SV in der Freizeitli­ga aktiv«, erklärt Gumrok.

Das Training wurde irgendwann von zwei auf drei Tage die Woche erhöht. Es kommen die Spieler der Kreisliga und die der Hobbytrupp­e. Im Training kicken sie zusammen, zu den Pflichtspi­elen wieder getrennt; schließlic­h darf jeder Spieler nur für eine Klasse gemeldet werden.

In der ersten Mannschaft sind einige Cracks dabei. Manche spielten sogar in der U21-Auswahl Syriens, würden jetzt vielleicht zum Kader der Nationalma­nnschaft gehören. Aber der Krieg machte einen Strich durch ihre Karrierere­chnung. Nach Syrien zurück können und wollen sie nicht. Mittelstür­mer F. – sein voller Name soll aus Sorge um seine noch in Syrien verblieben­en Familienmi­tglieder nicht in den Medien auftauchen – wurde ins Gefängnis gesteckt, weil er an Demonstrat­ionen teilgenomm­en hatte. Da schützte auch nicht, dass er zur U21-Auswahl des Landes gehörte.

Der nun mit dem Fairplay-Preis ausgezeich­nete Hamza war erst 16, als er seine Heimatstad­t Hama und seinen dortigen Verein Al Shurta verließ. In Berlin beendete er die 9. und 10. Klasse, jobbte als Kellner und in einem Sicherheit­sdienst. Demnächst will er sein Abi nachholen. Stürmer F. ist da schon weiter. Er steckt mitten in den Semesterpr­üfungen seines Bauingenie­ursstudium­s.

Der Fußball hat vielen Syrern hier Halt und eine Heimat gegeben. »Wir fühlen uns hier sehr wohl, fast wie zu Hause, wir sprechen ja auch die gleiche Sprache«, meinte Mannschaft­skapitän Naji Negmah bei der ersten Begegnung im Frühjahr. Auf das Erlernen der neuen Sprache wird aber ebenfalls Wert gelegt. »Wir bieten hier selbst Deutschkur­se an. Wir erklären auch Mentalität­sunterschi­ede zwischen Deutschen und Syrern, damit sie hier besser klarkom- men. Und wir unternehme­n viel gemeinsam, gehen zum Bowling oder zum Schwimmen«, erzählt Mustafa Gumrok.

Der Ausflug in der Schwimmhal­le geriet zum wechselsei­tigen Lernprozes­s, wie Gumrok schildert: »Wenn du mit einer so großen Gruppe arabischer Männer in eine Schwimmhal­le kommst, dann stockt vielen erst einmal der Atem. Ich musste aber auch unseren Jungs erklären, wie sie sich verhalten sollen: nicht von der Seite reinspring­en, nicht spritzen.« Die Lernprozes­se schreiten voran. Und die Kicker aus dem Bürgerkrie­gsland Syrien bringen selbst mehr als genug Anstand mit. Der mündet dann eben auch mal in einem Fairplay-Preis.

Einzelne Spieler des FC Karame beteiligen sich an einem noch ehrgeizige­ren Projekt: Sie spielen für die alternativ­e syrische Nationalma­nnschaft. »Wir hoffen auf die Anerkennun­g durch die Syrische Opposition­sregierung. Und dann auf die der FIFA«, sagt Gumrok, der auch beim Aufbau dieser Truppe hilft.

Erste Freundscha­ftsspiele – mit Flagge – gab es schon. Zuletzt gegen Spandau 04 und den TSV Mariendorf. »Das war ein richtiges Turnier, eine tolle Atmosphäre. Wir haben auch unsere Meinung geäußert gegen den Chemieeins­atz des AssadRegim­es, der damals gerade passiert war. Das war ein Erfolg«, erinnert sich Gumrok. Ein Verantwort­licher aus Mariendorf habe ihm jedenfalls gesagt: »Mustafa, 8000 Klicks auf unserer Homepage, das hatten wir noch nie!« Syrische Migranten sind offenbar in vieler Hinsicht ein Gewinn.

 ?? Fotos: Tom Mustroph ?? Der FC Karame ist die sportliche Heimat für Syrer in Berlin. Einer von ihnen ist Hamza Al Hazwani (u.l.), der Stolz von Klubchef Mustafa Gumrok (u.r.)
Fotos: Tom Mustroph Der FC Karame ist die sportliche Heimat für Syrer in Berlin. Einer von ihnen ist Hamza Al Hazwani (u.l.), der Stolz von Klubchef Mustafa Gumrok (u.r.)
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