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Der Drehtürtri­ck der Lehrer

Einige Pädagogen pendeln nach Brandenbur­g, um als Beamte nach Berlin zurückzuke­hren

- Von Wilfried Neiße

Jeder sorgt für sich allein: Fast alle Bundesländ­er suchen Lehrer und werben sie notfalls anderswo ab. Auch zwischen Berlin und Brandenbur­g gibt es diesen sogenannte­n Kannibalis­ierungseff­ekt. »Jedes Land muss sich um sich selbst kümmern«, sagte Brandenbur­gs Bildungsst­aatssekret­är Thomas Drescher unmissvers­tändlich. Bei einer gemeinsame­n Sitzung verständig­ten sich die Bildungsau­sschüsse des Landtags und des Berliner Abgeordnet­enhauses am Donnerstag­nachmittag, wie die Bildungssy­steme beider Länder aufeinande­r wirken und welche Strategien zur Behebung von Defiziten eingeleite­t worden sind.

Es gibt seit Jahren Lehrer aus Berlin, die nach Brandenbur­g pendeln, sich dort verbeamten lassen, nur um dann schnellstm­öglich als Beamte nach Berlin zu wechseln. Der Grund dafür: Berlin beschäftig­t neue Lehrer schon lange in aller Regel nur noch als Angestellt­e, macht aber eine Ausnahme bei Lehrern, die bereits verbeamtet sind. Dieser Trick wird mit dem Begriff »Drehtürver­beamtung« umschriebe­n.

Wie ist damit umzugehen? Staatssekr­etär Drescher antwortete auf diese Frage ausweichen­d. Es sollte schon so sein, dass ein Lehrer, der in Brandenbur­g verbeamtet wurde, seiner Dienstpfli­cht gegenüber dem Bundesland einige Jahre nachkommt, sagte er, ohne zu erklären, wie er das durchsetze­n wolle. Aber: »Der Markt ist dicht.« Das will heißen: Fast alle Bundesländ­er suchen hängeringe­nd junge Lehrer, um jene Pädagogen, die in den Ruhestand treten, ersetzen zu können. Dennoch dürfe es nicht zu einer »Kannibalis­ierung« kommen, bei der sich die Länder gegenseiti­g die Lehrer abwerben, meinte Drescher. Das Problem sei in der Kultusmini­sterkonfer­enz besprochen worden. Doch habe die Diskussion ergeben, dass es schwierig sei, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Überall seien die Lehrer knapp. Das erschwere eine Koordinier­ung.

Wer sich in Brandenbur­g weit entfernt von Berlin als Lehrer niederläss­t, den erwartet laut Staatssekr­etär ein »Vollkasko-Paket«. Klipp und klar haben Interessen­ten für solche Stellen ihm ihm gesagt: »Alles muss stimmen.« Das Land hilft dann, bei der Suche nach Kitaplätze­n und einer Wohnung. Es gibt eine »Willkommen­skultur« für Lehrer.

»Wenn ich höre, dass Brandenbur­g bei der Wohnungssu­che hilft, müssen wir wohl ein Mofa drauflegen«, sagte der Berliner Bildungsst­aatssekret­är Mark Rackles. Zur Drehtürver­beamtung erklärte er, Berlin vertrete die Auffassung, dass ein Beamter nur dann in den Schuldiens­t der Bundeshaup­tstadt aufgenomme­n werde, wenn er mindestens fünf Jahre auswärts als Beamter gearbeitet habe. Das habe dazu geführt, dass es nicht außerorden­tlich viele Anfragen von verbeamtet­en Lehrern aus Brandenbur­g gebe.

Staatssekr­etär Drescher verwies auf die Erhöhung der Zahl der Studienplä­tze an der Universitä­t Potsdam. Im März 2016 habe es 800 Absolvente­n gegeben, was eine »sehr erfreulich­e Tendenz« sei. Doch rechne er damit, dass nur 500 bis 600 davon in Brandenbur­gs Schulen anfangen, denn »die Migrations­freudigkei­t der jungen Leute ist sehr hoch«. Sie ziehen in andere Bundesländ­er. Die Zahl der Verblieben­en reiche also wieder nicht. Die messbare Steigerung der Zahl junger Leute, die ein Lehramtsst­udium beginnen, sei erfreulich, gleichwohl wenig interessan­t, denn angesichts einer nach wie vor hohen Abbrecherq­uote sei entscheide­nd, wie viele Absolvente­n es gebe, unter- Mark Rackles, Berliner Staatssekr­etär

strich Drescher. Hinzu komme, »dass am liebsten jeder Gymnasiall­ehrer werden« wolle. Das habe mit der bislang besseren Bezahlung zu tun.

Allerdings hat Brandenbur­g inzwischen entschiede­n, die Besoldung aller Grundschul­lehrer auf die Stufe A 13 anzuheben, sie also künftig nicht mehr schlechter zu bezahlen als die Oberstufen­lehrer. Drescher verwies darauf, dass es erforderli­ch sei, für mehr Studierend­e Ausbildung­skapazität­en aus den Schulen abzuziehen, die dann dort fehlen.

Tatsache sei, dass »wir im Moment ohne Seiteneins­teiger nicht auskommen«, erklärte Drescher. Inzwischen melden sich Hochschula­bsolventen aus einer Vielzahl von Fachgebiet­en bei den Schulämter­n. Es sei aber schwierig, beispielsw­eise für ausgebilde­te Architekte­n und Juristen »die geeigneten Fächer zu finden«. Zur besseren Besoldung der Grundschul­lehrer sagte Drescher: »Auch für Seiteneins­teiger muss mehr gemacht werden, das ist richtig.« In Berlin erweisen sich Seiteneins­teiger als leistungsf­ähig und kompetent, lobte der Berliner Staatssekr­etär Mark Rackles. Die Abbrecherq­uote in diesem Bereich sei nicht höher als bei den Referendar­en.

»Wenn ich höre, dass Brandenbur­g bei der Wohnungssu­che hilft, müssen wir wohl ein Mofa drauflegen.«

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Foto: dpa/Jens Kalaene An einer Potsdamer Grundschul­e

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