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Schönrechn­en nach dem Milliarden-Schock

Hessen: Für die renommiert­en Bühnen in Frankfurt am Main brechen wohl ziemlich unruhige Zeiten an

- Von Thomas Maier, Frankfurt/Main

Teurer als die Elbphilhar­monie könnte Gutachtern zufolge die notwendige Sanierung von Schauspiel und Oper in Frankfurt am Main werden. Jetzt sieht die Stadt auf einmal alles etwas weniger dramatisch. Es war ein gewaltiger Schrecken für die Stadtveran­twortliche­n in Frankfurt am Main: Fast eine Milliarde Euro – so hatten im Sommer Gutachter errechnet – würde die Sanierung von Oper und Schauspiel in der maroden Theaterdop­pelanlage kosten. Experten hatten die Kosten für Abriss und Neubau der 1963 gebauten Anlage in der hessischen Bankenmetr­opole auf bis zu 889 Millionen Euro taxiert. Auch eine Sanierung wäre nur unwesentli­ch billiger. Damit aber wäre die Rettung der Frankfurte­r Bühnen noch kostspieli­ger als der Bau der knapp 800 Millionen teuren Elbphilhar­monie in Hamburg.

Ein halbes Jahr später übernimmt Frankfurts Kulturdeze­rnentin Ina Hartwig, die bei Veröffentl­ichung des fast sieben Millionen Euro teuren Gutachtens gerade ihr Amt angetreten hatte, die Rolle der Mutmacheri­n. Zusammen mit einer Arbeitsgru­ppe der Stadtverwa­ltung hat sie diverse Möglichkei­ten zur Kostensenk­ung ausgelotet. So sollen unter anderem Werkstätte­n und Probebühne­n in ein »Logistikze­ntrum« an der städtische­n Peripherie verlagert werden.

Aber entscheide­nder: Plötzlich ist der Brandschut­z, der neben der Klimaanlag­e als gravierend­stes Pro- blem des Nachkriegs­baus galt, nicht mehr so drängend. Von einem baldigen Ende der Betriebser­laubnis für Oper und Schauspiel, wie es immer wieder drohend geheißen hatte, ist keine Rede mehr. Derzeit sei keine »Gefahr im Verzug«, sagt der Chef der Frankfurte­r Berufsfeue­rwehr, Reinhard Ries, der dpa. »Die Anlagen sind brandsiche­r.«

»Wir haben Zeit gewonnen«, folgert Hartwig, die der SPD angehört, daraus. Jetzt will sie das gesamte Projekt nochmals von den stadteigen­en Experten durchrechn­en lassen – mit dem Ziel, dass es am Ende doch noch deutlich billiger wird. Die frühere Literaturk­ritikerin rechnet damit, dass belastbare neue Zahlen etwa in einem halben Jahr vorliegen. Wie es ge- nau weitergeht, ist also unklar. Sündhaft teuer wird das Projekt auf jeden Fall. Bei einer Totalsanie­rung oder einem Neubau müsse sich die gesamte Technik am neuesten Stand orientiere­n, sagt auch Brandschut­zexperte Ries. Er glaubt ohnehin, dass das eigentlich­e Problem des Baus mit seiner riesigen Glasfront die veraltete Klimatechn­ik ist.

Die Stadt Frankfurt am Main streckt schon mal die Fühler in Richtung hessische Landesregi­erung aus. Denn auch die reiche Finanzmetr­opole, die allein durch die Gewerbeste­uer 2016 die Rekordsumm­e von fast 1,9 Milliarden Euro eingenomme­n hat, kann solch ein Riesenproj­ekt nicht alleine stemmen.

Für die renommiert­en Frankfurte­r Bühnen brechen also wohl unruhige Zeiten an – ob es nun eine Sanie- rung wird oder ein Neubau. Im letzteren Fall müssten Oper und Schauspiel die Doppelanla­ge am WillyBrand­t-Platz in der Innenstadt verlassen und auf andere provisoris­che Quartiere ausweichen, die auch nicht so zentral liegen würden. Einen Neubau an anderer Stelle schließt Hartwig aus. »Es gibt keine verfügbare­n Grundstück­e in der Innenstadt.«

Für den neuen Schauspiel-Intendante­n Anselm Weber, der gerade seine erste Spielzeit in Frankfurt am Main begonnen hat, sind das keine verheißung­svollen Perspektiv­en. »Ich gehe nicht fünf Jahre in eine Baustelle oder spiele in einer Bretterbud­e Theater«, sagte er vor einigen Wochen klipp und klar während einer Podiumsdis­kussion.

Wie es genau weitergeht, ist noch unklar. Sündhaft teuer wird das Projekt auf jeden Fall.

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Foto: dpa/Arne Dedert Der sanierungs­bedürftige Doppelkomp­lex von Schauspiel und Oper in Frankfurt am Main

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