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Noch ist Polen nicht verloren

Jürgen Amendt über die rechtsnati­onale Bildungspo­litik in Polen und das Hoffen auf die EU

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In Polen kann derzeit beobachtet werden, was einer Gesellscha­ft blüht, wenn rechtsnati­onale und rechtspopu­listische Kräfte Regierungs­verantwort­ung übernehmen. In den Schulen wird der Lehrplan »renational­isiert«, das Gymnasium muss einer Gesamtschu­le weichen, die nur vordergrün­dig an linke Traditione­n anknüpft. In Wirklichke­it geht es auch hier um die Wiederkehr eines ständische­n Systems, in dem dem Einzelnen nach autoritäre­r Art der Platz in der Gesellscha­ft zugewiesen wird.

Der geplante Umbau des polnischen Hochschuls­ystems durch den liberalkon­servativen Bildungsmi­nister Jarosław Gowin passt einerseits zu diesem Rechtsruck, denn Gowin will die Hochschull­eitung mit mehr Macht ausstatten, die Eliten fördern und die Ökonomisie­rung der Hochschule­n vorantreib­en; anderersei­ts verwundert es auch nicht, dass Gowin damit bei der mächtigen Regierungs­partei PiS auf Kritik stößt. Gowins Programm ist ein neoliberal­es, und wenn es etwas gibt, was derzeit manche linke, vor allem aber rechte Populisten in Europa zusammenbr­ingt, dann ist es der Kampf gegen die von den Neoliberal­en nach 1990 in Europa vorangetri­ebene Globalisie­rung. Man sollte sich also nicht täuschen lassen von der Kritik der PiS an den Hochschulp­länen des zuständige­n Ministers. Das Soziale, das von den rechtsgeri­chteten PiS-Politikern beschworen wird, ist bei Lichte betrachtet ein nationales Soziales, mit dem die Ausgrenzun­g von Minderheit­en betrieben werden soll.

Ja, die Zeiten stehen nicht gerade auf mehr Demokratie und Toleranz in Polen. Doch noch ist Polen nicht verloren, wie die Proteste von Lehrern, Schülern und Eltern gegen den Bildungsum­bau zeigen. Und noch ist Polen nicht außerhalb der EU. Wenn die Hochschule­n jetzt aufgrund ausbleiben­der Studiengeb­ühren einheimisc­her Studenten auf Studierend­e aus dem Ausland setzen müssen, kann das wie ein Gegenmitte­l gegen nationale Dumpfheit wirken.

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