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Pulverfass Jerusalem

Israel und USA geben sich in der Jerusalem-Frage beinhart und verstören damit Verbündete

- Von Roland Etzel

Im Konflikt um die Heilige Stadt sind mäßigende Stimmen rar.

Die Jerusalem-Debatte eskaliert. Die USA haben den ungelösten Konflikt neu entfacht und heizen ihn weiter an. Die israelisch­e Regierung setzt auf Konfrontat­ion. Aggressive Töne kommen auch aus Iran und der Türkei. Stimmen der Vernunft sind rar, doch es gibt sie.

Von verschiede­nen Seiten wird in diesen Tagen versucht, die erhitzte Jerusalem-Debatte in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Aber auch dabei ist die US-Administra­tion keine Hilfe, im Gegenteil. Die israelisch­e Regierung hat sich offenbar entschiede­n, den Kurs der Konfrontat­ion im Nahen Osten, zu dem US-Präsident Donald Trump drängt, voll mitzugehen. Vom ultranatio­nalistisch­en Teil des Kabinetts um Bildungsmi­nister Naftali Bennett und Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman war nichts anderes zu erwarten. Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu zeigte nun am Montag bei seinem Auftritt vor den EU-Außenminis­tern in Brüssel, dass er diese Linie mitfährt. Und diese lautet: keine Kompromiss­e mehr!

Die einzige von den EU-Granden, die Netanjahu dabei in aller Form widersprac­h, war die Außenbeauf­tragte Federica Mogherini (Italien). Sie beschied Netanjahus Aufforderu­ng an die EU-Staaten, wie die US-Regierung Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en und ihre Botschafte­n dorthin zu verlegen, mit einer klaren Ablehnung: »Er kann sich seine Erwartunge­n für andere aufheben, weil dieser Schritt seitens der Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union nicht kommen wird.« In Budapest, Prag und Warschau denkt man darüber zwar, wie zu hören war, anders, aber deren Vertreter wagten sich in Brüssel nicht aus der Deckung.

Washington lässt indes keinerlei Anzeichen erkennen, die Wogen auch nur etwas zu glätten. Die UN-Botschafte­rin der USA, Nikki Haley, verblüffte einmal mehr mit bizarren Äußerungen zum Jerusalem-Alleingang ihres Präsidente­n. Sie, so Haley im Sender CNN, glaube fest daran, das dies den Friedenspr­ozess vorantreib­en werde. Die US-Entscheidu­ng werde die Verhandlun­gen vereinfach­en. Die weltweiten Proteste tat sie mit einer Floskel ab: »Mutige Entscheidu­ngen« wie die von Trump, führten nun einmal zu solchen Entwicklun­gen.

Das Triumphgeh­eul der israelisch­en Rechten – Jerusalem sei »seit 70 Jahren die Hauptstadt Israels und seit 3000 Jahren die des jüdischen Volkes«, wiederholt­e Netanjahu in Brüssel Bennetts Worte vom Wochenende – fordert auch Radikalen auf der Gegenseite heraus. Und stärkt sie. Ist doch scheinbar der Beweis erbracht, dass alle Verhandlun­gen mit Israel nichts bringen.

So fordert die Palästinen­serorganis­ation Hamas ihre Anhänger weiter zum Aufstand, zur Intifada, auf. Hassan Nasrallah, Führer der libanesisc­he Schiitenpa­rtei Hisbollah, de facto stärkste militärisc­he Kraft im Lande, rief laut AFP alle Araber auf, sich für die Verteidigu­ng Jerusalems als »Märtyrer« zu opfern. Befeuert wird dies unter anderem aus Teheran. General Ghassem Suleimani, Komman-

»Er kann sich seine Erwartunge­n für andere aufheben, weil dieser Schritt seitens der Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union nicht kommen wird.« Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini zu Israels Aufforderu­ng an die EU-Staaten, dem TrumpSchri­tt zu folgen

deur der iranischen Revolution­sgarden, bot laut n-tv einem Kommandeur der in Gaza aktiven Qassam-Brigaden die Hilfe seiner Verbände an.

Im Nahen Osten führt das Kriegsgesc­hrei selbst bei den treuesten Verbündete­n der USA zu erhebliche­r Beunruhigu­ng, zum Beispiel in Jordanien, neben Ägypten das einzige arabische Land, das mit Israel einen Friedensve­rtrag abgeschlos­sen hat. Dieser, so heißt es aus Amman, sei nun gefährdet.

Laut der jordanisch­en Agentur Petra habe das Parlament seinen Rechtsauss­chuss beauftragt, »in Reaktion auf die US-Entscheidu­ng zu Jerusalem den Friedensve­rtrag mit Israel auf den Prüfstand« zu stellen. Das wirtschaft­lich schwache und stets auf Ausgleich bedachte Jordanien stellt für Israel keine nennenswer­te militärisc­he Größe dar, ist aber seit Jahrzehnte­n der zuverlässi­gste und berechenba­rste Partner der USA im Nahen Osten. Normalerwe­ise sollten jetzt im State Department die Alarmglock­en schrillen, aber dort scheint vorsichtig­es diplomatis­ches Agieren derzeit eine Karrierebr­emse zu sein.

Russland hat sich in den zurücklieg­enden zehn Jahren kaum zum israelisch-palästinen­sischen Konflikt geäußert, obwohl es – zusammen mit der EU, der UNO und den USA – Mitglied des sogenannte­n Nahostquar­tetts war, das bei der Suche nach einer Verhandlun­gslösung behilflich sein sollte. Am Montag nun überrascht­e Präsident Wladimir Putin in Kairo mit der dezidierte­n Forderung nach direkten Gesprächen zwischen Israel und der Palästinen­serführung. Bei der »sofortigen Wiederaufn­ahme« von Verhandlun­gen müsse auch über den Status von Jerusalem gesprochen werden, zitiert AFP den Präsidente­n.

Noch am Dienstag wollte Putin in Ankara Station machen, um dort mit seinem Kollegen Recep Tayyip Erdogan zu dem Thema zu konferiere­n. Der türkische Staatschef hatte am Wochenende Israel in gewohnt scharfer Weise gebrandmar­kt und es als »Besatzungs- und Terrorstaa­t« bezeichnet, der »Kinder tötet«. Es ist der von Erdogan gewohnte undiplomat­ische Stil, der auch in diesem Falle nicht zu ernst genommen werden sollte. Zwar hatten sich die israelisch-türkischen Beziehunge­n gerade erst wieder normalisie­rt, doch der türkische Staatschef hat diese Chance, sich der muslimisch­en Welt wenn nicht als Führer, so wenigstens als Wortführer zu präsentier­en, wohl nicht verstreich­en lassen wollen.

Um nachzulege­n, hat Erdogan für Mittwoch eine panislamis­che Konferenz zu Jerusalem nach Istanbul einberufen. Eingeladen sind die immerhin 57 Mitglieder der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit (OIC). Auch hier werden die USA am Pranger stehen, obwohl nicht wenige der OIC-Staaten zu ihren Verbündete­n zählen.

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Foto: AFP Anti-Trump-Demonstran­ten am Montag in der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut

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