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Wettbewerb soll Kitaausbau beschleuni­gen

Paritätisc­her Gesamtverb­and fordert von Bundesregi­erung eine Reform der Finanzieru­ng von Kindertage­sstätten

- Von Florian Haenes

Freie Träger von Kindertage­sstätten sehen sich im Nachteil, weil die Kitafinanz­ierung kirchliche Betreiber bevorzugt.

Der Ausbau von Kindertage­sstätten geht schleppend voran. Jetzt fordert der Paritätisc­he Gesamtverb­and zehn Milliarden Euro zusätzlich für den Kitaausbau – und eine umfassende Reform der Finanzieru­ng. Zwar hat die Bundesregi­erung mit dem gesetzlich­en Betreuungs­anspruch für unter Dreijährig­e ein massives Investitio­nsprogramm verknüpft. Doch es fehlen noch immer rund 300 000 Kitaplätze. Der Paritätisc­he sagt nun: Verantwort­lich dafür ist ein überkommen­es Finanzieru­ngsmodell, das noch aus einer Zeit stammt, als kirchliche Träger den Markt dominierte­n.

Eine neue Studie des Gesamtverb­andes weist auf zwei Hinderniss­e hin, die aus Sicht der Autoren den Ausbau von Kindertage­sstätten blockieren. Dies ist zum einen die kommunale Planung des Kitanetzes. »Die stattliche Jugendhilf­eplanung ist uns einfach zu langsam«, beklagt Stefan Spieker, Vorstandvo­rsitzender von Fröbel e.V., einer Unternehme­nsgruppe von Kitabetrei­bern, die die Studie mitfinanzi­ert hat. Spieker will durch mehr Wettbewerb die Schlagzahl im Kitageschä­ft erhöhen. Kommunen sollen demnach die Kitas nicht länger direkt aus dem Haushalt finanziere­n, sondern den Eltern Wertgutsch­eine ausgeben. Damit würde eine »Nachfragem­acht« geschaffen. Tagesstätt­en müssten sich mit Musik-, Sprachunte­rricht oder besonderen Essensange­boten profiliere­n. Als Vorbild nennt Spieker Hamburg, das als einziges Bundesland ein solches Gutscheins­ystem eingeführt hat. Es sorgt dort der Markt für die Kitaversor­gung. »Und das läuft gut«, meint Spieker.

Bislang wird die Finanzieru­ng von Kindertage­sstätten von den Bundesländ­ern geregelt. Das führt zu einem Flickentep­pich an Reglements. Doch eines ist in fast allen Ländern gleich. Träger müssen einen Eigenantei­l vorweisen, um überhaupt eine staatliche Finanzieru­ng zu erhalten. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser Eigenantei­l bei neun Prozent des Gesamtbudg­ets. Kleinere Träger kön- nen sich diesen Eigenantei­l oft nicht leisten. Das ist das zweite Hindernis, das laut Studie den Kitaausbau verzögert. »Die Kitafinanz­ierung ist zugeschnit­ten auf kirchliche Träger«, sagt Werner Hesse, Geschäftsf­ührer des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes. Seiner Ansicht nach sind die Kirchen nicht länger bereit, Geld aufzubring­en, um die christlich­e Weltanscha­uung in der Gesellscha­ft zu verankern. Der Grund ist, dass die Einnahmen aus Kirchenste­uern Jahr für Jahr sinken. In Köln habe die katholisch­e Kirche deshalb begonnen, sich aus dem Kitamarkt zurückzuzi­ehen.

Dem widerspric­ht Carsten Schlepper, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands evangelisc­her Tageseinri­chtungen für Kinder: »Wir wollen den Eigenantei­l beibehalte­n«. Die Kirchen seien weiterhin bereit, den Eigenantei­l aus Kirchenste­uern aufzubring­en. Damit soll weiterhin die religionsp­ädagogisch­e Ausbildung der Erzieher finanziert werden. In Bremen könnten evangelisc­he Kitas mit übertarifl­ichem Lohn um das beste Personal werben.

Hingegen räumt Sabine Herrenbrüc­k vom Zentrum Bildung der Evangelisc­hen Kirche Hessen-Nassau ein, dass auch die Kirchen die Kitafinanz­ierung auf den Prüfstand stellen müssen. Einige Landeskirc­hen gerieten in Finanzieru­ngsschwier­igkeiten; in Rheinland-Pfalz müssten Träger die Sachkosten, darunter auch Heizkosten, vollständi­g übernehmen.

Selbst die Kirchen überforder­t das derzeitige Finanzieru­ngssystem. Für die gezielte Finanzieru­ng christlich­er Bildung fehlt an einigen Standorten schon jetzt der Spielraum. Fast vollständi­g fließt der Eigenantei­l dort in die Regelfinan­zierung. Trotzdem lehnt die Kirche ein Gutscheins­ystem ab. Ihr Argument: Was in Hamburg funktionie­rt, wird auf dem Land scheitern müssen. Denn allein mit Gutscheine­n könne dort wegen der geringen Kinderzahl niemand eine Kindertage­sstätte betreiben.

Indes finden freie Träger schon heute Zugang zum Markt. In Berlin gibt es inzwischen rund 60 Kooperatio­nen mit Unternehme­n, die im Gegenzug Kitaplätze für den Nachwuchs ihrer Mitarbeite­r erhalten. So befindet sich im Firmensitz des Onlinehänd­lers Zalando neuerdings ein Kindergart­en. Dessen Betreiber ist die Fröbel-Gruppe.

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