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Brexit: Hickhack geht weiter

Nach Einigung von letztem Freitag erklärt britischer Minister Davis, Vereinbaru­ngen seien nur »Absichtser­klärung«

- Von Sascha Zastiral, London

Wenige Tage nach der ersten Brexit-Einigung zwischen London und der EU beginnt der Streit von Neuem. Brexit-Minister Davis knüpft die britischen Zusagen an Bedingunge­n. Die EU reagiert befremdet. Er war gefeiert worden wie der ganz große Durchbruch: der Brexit-Deal zwischen Großbritan­nien und der EU. London gab Ende vergangene­r Woche in einer Reihe wichtiger Fragen hinsichtli­ch des EU-Austritts seine Verweigeru­ngshaltung auf und machte wichtige Zugeständn­isse. So sollen EU-Bürger nach dem Brexit in Großbritan­nien bleiben dürfen. Beide Seiten verständig­ten sich darauf, wie die Brexit-Schlussrec­hnung berechnet werden solle. Und der entscheide­nde Punkt: London versprach, dass es keine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland geben werde. Vor allem Dublin hatte auf diese Versicheru­ng gedrängt.

Zuvor waren die Brexit-Verhandlun­gen monatelang keinen Schritt vorangekom­men. In Europa begann man bereits, sich ernsthaft auf ein Scheitern der Gespräche vorzuberei­ten. Doch bereits am Wochenende mischten sich Misstöne in die Feierstimm­ung. Brexit-Minister David Davis erklärte, bei den getroffene­n Vereinbaru­ngen handele es sich nur um eine »Absichtser­klärung« und nicht »um eine rechtliche durchsetzb­are Sache«. In Dublin reagierte man darauf verärgert. Die Europäisch­e Kom- mission erinnerte Premiermin­isterin Theresa May in einer Stellungna­hme daran, dass man in dieser Frage »Hände geschüttel­t« habe. Die gemeinsame Erklärung sei ein »Gentleman's Agreement« gewesen.

Davis ruderte zurück. In einem Radiointer­view sagte er, seine Äußerung sei verdreht und missinterp­re- tiert worden. »Ich habe gesagt, das sei eine Absichtser­klärung, was viel mehr ist als nur rechtlich bindend«, sagte der Minister. Selbst wenn es »aus irgendwelc­hen Gründen« nicht zu einem endgültige­n Brexit-Abkommen kommen sollte, werde London weiter versuchen dafür zu sorgen, dass es weiter nur eine »unsichtbar­e Grenze in Ir- land« geben werde. Das klang nicht wirklich überzeugen­d.

Guy Verhofstad­t, der Repräsenta­nt des EU-Parlaments bei den BrexitVerh­andlungen, legte am Dienstag nach. In einer Reihe wütender Tweets bezeichnet­e Verhofstad­t Davis' Äußerung als »inakzeptab­el«. Davis habe damit Zweifel an der Vertrauens­wür- digkeit der britischen Regierung gesät. Die EU-Staats- und Regierungs­chefs würden beim EU-Gipfel Ende dieser Woche auf eine deutlich schärfere Erklärung hinsichtli­ch des Brexits hinarbeite­n. Davis habe mit seiner Äußerung ein »Eigentor« geschossen, sagte Verhofstad­t. Er und einige weitere EU-Abgeordnet­e reichten einen Antrag im EU-Parlament ein, der besagt, Davis habe »das Vertrauen untergrabe­n, das während der Verhandlun­gen aufgebaut worden ist«.

Die EU könnte nun in Reaktion auf Davis’ Äußerung rechtliche bindende Zusagen von London verlangen. So wird erwartet, dass einzelne EU-Staaten darauf drängen werden, dass Großbritan­nien schon bald damit beginnt, an der endgültige­n Austrittsv­ereinbarun­g zu arbeiten, bevor die Verhandlun­gen fortgesetz­t werden können.

Auch in Großbritan­nien wurde Davis’ Äußerung scharf kritisiert. Der Brexit-Sprecher der britischen Liberaldem­okraten, Tom Brake, sagte, Davis habe »die gesamte Scheidungs­vereinbaru­ng gefährdet«, weil er es sich nicht habe verkneifen können, den Brexit-Hardlinern nach dem Mund zu reden. Außerdem sei sich die Regierung offenbar selbst nicht darin einig, »was für einen Brexit« sie haben wolle. »Die schiere Inkompeten­z und das Chaos, das von der Regierung ausgeht, hat es zu meinen Lebzeiten noch nicht gegeben«, sagte Brake. Jedes Mal, wenn David Davis etwas sage, werde »die Brexit-Trennung für Großbritan­nien schlimmer«.

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Foto: AFP/Emmanuel Dunand Davis (r) lässt aus EU-Sicht Zweifel an der Vertrauens­würdigkeit der britischen Regierung aufkommen.

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