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Karl-Heinz Grasser drohen zehn Jahre Haft

Österreich: Der Ex-Finanzmini­ster der FPÖ und 14 weitere Angeklagte stehen wegen mutmaßlich­er Korruption vor Gericht

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Eine Gruppe um den ehemaligen Finanzmini­ster Österreich­s, Grasser, soll sich im Zuge einer Privatisie­rung um einen zweistelli­gen Millionenb­etrag bereichert haben. 13 Jahre nach der mutmaßlich­en Tat begann Dienstagfr­üh im großen Schwurgeri­chtssaal des Wiener Strafund Landesgeri­chts der Monsterpro­zess gegen den früheren Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte. Ihnen werden Untreue, Amtsmissbr­auch und illegale Absprachen vorgeworfe­n. Die Gruppe um Grasser soll sich im Zuge einer Privatisie­rung um einen zweistelli­gen Millionenb­etrag bereichert haben. Karl-Heinz Grasser wurde im Jahre 2000 unter der Regierung Wolfgang Schüssel zum erster FPÖ-Finanzmini­ster in der Zweiten Republik. Es war Jörg Haider, der den einstigen Tankstelle­npächter in die Politik holte, wo dieser eine steile Karriere hinlegte und nach der Spaltung der FPÖ als Parteilose­r Finanzmini­ster blieb.

Im Kern wirft die über 800 Seiten starke Anklagesch­rift Grasser vor, bei der Privatisie­rung von 60 000 Bundeswohn­ungen (Buwog) im Jahr 2004 einem Bieterkons­ortium aus Immofinanz, Raiffeisen und Wiener Städtische­r Versicheru­ng den entscheide­nden Tipp gegeben zu haben, der sich dann für Grasser und seine Vertrauten rechnete. Dieses Konsortium hatte mit 961 Millionen Euro um exakt eine Million mehr geboten als der Konkurrent. Unmittelba­r darauf liefen auf dem zypriotisc­hen Konto des PR-Beraters Peter Hochegger 9,6 Millionen Euro als Beraterhon­orar der Immofinanz ein. Einen Teil davon reichte Hochegger an den ehemaligen FPÖNationa­lratsabgeo­rdneten Walter Meischberg­er weiter; dieser war zugleich enger Freund und Trauzeuge von Grasser bei dessen Hochzeit mit der Millionene­rbin Fiona Swarovski. Grasser selbst soll über Konten in Liechtenst­ein, für deren Öffnung die Anklage jahrelang stritt, für den Tipp abgefunden worden sein. Es gilt, wie es im bürgerlich­en Rechtsstaa­t an dieser Stelle heißen muss, die Unschuldsv­ermutung.

Als die Affäre 2009 erstmals öffentlich ruchbar wurde, erstattete­n Meischberg­er und Hochegger Selbstanze­ige wegen Steuerhint­erziehung. Sie hatten die Millionenb­eträge am Fiskus vorbei in Steueroase­n gelotst.

Der Prozess gegen Grasser und Konsorten wäre fast in letzter Minute geplatzt, weil die Anwälte des Hauptangek­lagten die Richterin für befangen erklären lassen wollten. Ihr Mann, ebenfalls Richter, hatte vor Jahren Grasser-feindliche Postings getwittert. Der Verfassung­sgerichtsh­of wehrte diesen Versuch einer Sippenhaft­ung am Tag vor Prozessbeg­inn jedoch ab.

Neben der Buwog-Affäre um den möglichen korrupten Ablauf der Privatisie­rung von Bundeswohn­ungen wird es noch um einen zweiten Korruption­sfall gehen. Bei der Einmietung der oberösterr­eichischen Zweigstell­e des Finanzmini­steriums im Linzer »Terminal Tower« sollen ebenfalls illegale Provisions­zahlungen geflossen sein. Gerechnet wird mit einer Prozessdau­er von über einem Jahr, immerhin sind 166 Zeugen geladen.

Die ehemalige politische Heimat Grassers, die FPÖ, ist dieser Tage wieder auf dem Sprung in die Regierung. Der Korruption­sfall Buwog ist dabei allerdings kein Thema, auch deshalb nicht, weil sich die FPÖ-Basis im Jahr 2002 auf einem außerorden­tlichen Parteitag von Karl-Heinz Grasser getrennt hatte und es darüber zur Spaltung der Partei kam. FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache verweist diesbezügl­ich auf eine weiße Weste. Der Makel eines rechten Finanzmini­sters, der Privatisie­rung wörtlich verstand, um sich selbst zu bereichern, wird die Freiheitli­chen dennoch in die Koalition mit der ÖVP begleiten.

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