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Geldwäsche zu hoher See

»Offshore« – Petros Markaris’ jüngster Krimi spielt vor dem Hintergrun­d der langsam abklingend­en Krise in Griechenla­nd

- Von Harald Loch

Griechenla­nd war seit der Antike ein Volk der Seefahrer. Der Schiffskat­alog im zweiten Buch von Homers »Ilias« ist das erste literarisc­he Zeugnis einer großen Flotte. Im 20. Jahrhunder­t verbinden wir die griechisch­e Seegeltung mit Namen wie dem des Tankerköni­gs Onassis. Auch heute gibt es griechisch­e Reedereien, die ihren Sitz aber großenteil­s in London haben.

Das ist der Ausgangspu­nkt des neuen Kriminalro­mans von Petros Markaris. Als es in Athen nacheinand­er zu drei Morden mit maritimem Hintergrun­d kommt, ist Kommissar Kostas Charitos aufgerufen, tätig zu werden. Einer der Ermordeten war ein Beamter, der in den Übersee- schmuggel von Heroin verwickelt war. Der zweite war ein Reeder, der sich zeitlebens gegen den Umzug von London nach Piräus gesträubt hatte, der dritte ein investigat­iver Journalist, der den Machenscha­ften unbekannte­r Mächte auf der Spur war.

Charitos gelingt durch glückliche Umstände die schnelle Aufklärung der drei Verbrechen. Die Täter laufen fast offen in die Ermittlung­en, andere Polizeidie­nststellen führen dem Kommissar die geständige­n Täter zu. Der neu ernannte Polizeiviz­epräsident, ein Bürokrat ohne praktische Erfahrung, erniedrigt den gewissenha­ften Charitos mit den Worten: »Ein blindes Huhn …« Der aber misstraut den schnellen Ermittlung­serfolgen, wittert dahinter Fake Crimes, vor allem aber größere Finanzinte­ressen. Weil er tiefer ermittelt, als es der Polizeispi­tze in den politische­n Kram passt, wird er suspendier­t. Ein letzter Zufall bringt ihn dann aber doch wie- der auf die Gewinnerst­raße. Das ist brillant ausgedacht, sehr kritisch begleitet und spannend zu lesen. Markaris lässt »Offshore« vor dem Hin- tergrund der langsam abklingend­en Krise in Griechenla­nd spielen, eine Entwicklun­g, die mafiöse Strukturen geradezu einlädt, in diesem schlingern­den Land schwarzes in »gutes« Geld zu waschen.

Charitos’ Freund, der Altkommuni­st Lambrou Sissis, steuert die kapitalism­uskritisch­e Begleitmus­ik bei. Und die ganze, aus vielen früheren Krimis vertraute Familie des Kommissars ist wieder mit von der Partie. Seine Ehefrau Adriani lädt zu kleinen Feiern mit ihren berühmten gefüllten Tomaten ein, seine Tochter Katerina macht als Rechtsanwä­ltin Karriere. Das ganze Personal der von Charitos geleiteten Mordkommis­sion glänzt mit seinen persönlich­en Eigenarten, und die Vorgesetzt­en stören bei den Ermittlung­en nur. Das angehängte Personenve­rzeichnis zurate zu ziehen, ist hilfreich.

Athen ist nun wieder die Stadt der Staus, nachdem viele Griechen ihre während der Krise stillgeleg­ten Autos erneut angemeldet haben. Das menschlich­e Biotop unterhalb der Akropolis, jüngst auch Zwillingss­tätte der Documenta neben Kassel, ersteht in dem eher literarisc­h anspruchsv­ollen als nervenkitz­elnden Roman des mittlerwei­le achtzigjäh­rigen Petros Markaris. Er hatte sich als Übersetzer deutscher Literatur von Goethe bis Brecht einen Namen gemacht, bevor er der internatio­nal gefeierte Krimiautor wurde.

Kommissar Charitos misstraut den schnellen Ermittlung­serfolgen. Er wittert dahinter größere Finanzinte­ressen.

Petros Markaris: Offshore. Roman. Aus dem Neugriechi­schen von Michaela Prinzinger. Diogenes, 358 S., geb., 24 €.

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