nd.DerTag

Schlechte Luft, bedrohte Artenvielf­alt

- Von Rainer Balcerowia­k

Die Deutsche Umwelthilf­e stellt der Bundesregi­erung ein miserables Zeugnis beim Natur- und Klimaschut­z aus. Von Vorreiterr­olle kann nirgendwo mehr die Rede sein. Völliges Versagen bei der Luftreinha­ltung sowie beim Natur- und Klimaschut­z wirft die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) der Bundesregi­erung vor. Wie Geschäftsf­ührer Sascha Müller-Kraenner bei der Jahresbila­nz des Verbandes am Dienstag in Berlin sagte, gibt es angesichts steigender Nitratwert­e in weiten Teilen des Landes einen Güllenotst­and mit großen Gefahren für die Trinkwasse­rversorgun­g. Auch das Artensterb­en bei Insekten und Vögeln habe sich dramatisch beschleuni­gt, weil die Regierung keine wirksamen Maßnahmen zur Reduzierun­g des Pestizidei­nsatzes auf den Weg gebracht habe. In fast allen Bereichen des Umwelt-, Natur- und Gesundheit­sschutzes »schreiben sich die Lobbyverbä­nde ihre Gesetze und Verordnung­en selber«, so Müller-Kraenner.

In der Klimapolit­ik hat die Bundesrepu­blik laut DUH ihre »Vorreiterr­olle längst aufgegeben«. Obwohl selbst Energielob­byisten einräumen, dass die Kohleverst­romung keine Zukunft hat und die schnelle Abschaltun­g von sieben bis zehn Gigawatt Kraftwerks­leistung ohne Einbußen bei der Versorgung­ssicherhei­t möglich wäre, würden Bund und die betroffene­n Länder den für die Erreichung der Klimaziele unabdingba­ren Einstieg in den Kohleausst­ieg blockieren.

Als »Verhöhnung der Demokratie und des Rechtsstaa­ts« bezeichnet­e Ko-Geschäftsf­ührer Jürgen Resch den Umgang vieler Behörden mit den gesundheit­sgefährden­den Stickoxide­missionen durch Dieselfahr­zeuge. Ex-Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) habe erklärt, dass man in Bayern gerichtlic­h verhängte Fahrverbot­e »einfach aussitzen wird«. Mittlerwei­le hat die DUH beim Verwaltung­sgericht München einen Antrag auf Zwangshaft gegen die Staatsregi­erung gestellt.

Auch auf Bundeseben­e werde bislang nur über Placebos gegen die massiven Grenzwertü­berschreit­ungen diskutiert und die Autoindust­rie geschont. Während ein deutscher VW-Manager wegen des Abgasbetru­gs in den USA zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, drohe seinen Kollegen in der Heimat »nicht mal ein Ordnungsge­ld«, so Resch. Weitere Klärung erwartet die Umwelthilf­e von zwei juristisch­en Entscheidu­ngen Anfang 2018. So wird das Bundesverw­altungsger­icht über die verhängten Fahrverbot­e in Stuttgart urteilen, und vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f wird über ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d wegen Missachtun­g der Stickoxidg­renzwerte verhandelt, das zu Milliarden­strafzahlu­ngen führen könnte.

In Deutschlan­d sind bislang 19 Verfahren gegen einzelne Städte anhängig, die mit Fahrverbot­en enden könnten. Das sei erst der Anfang, so Resch. Derzeit würden an den offizielle­n Messstelle­n die Grenzwerte in über 90 Städten überschrit­ten. Unabhängig­e Messungen machten aber deutlich, dass bis zu 400 Gemeinden betroffen seien, nicht nur große Städte. Wenn sogar VW-Chef Matthias Müller eine »Blaue Plakette« für saubere Dieselfahr­zeuge fordere, sollte die Bundesregi­erung endlich begreifen, »dass sie sich in eine Sackgasse begeben hat«.

Resch kündigte an, dass sein Verband in Kooperatio­n mit Wissenscha­ftlern und anderen Verbänden die Stickoxidm­essungen an Straßen und Plätzen sowie die Untersuchu­ng vermeintli­ch sauberer Diesel-Pkw fortführt. Gerade erst hatte die DUH enthüllt, dass auch BMW offenbar Abschaltei­nrichtunge­n für die Abgasreini­gung installier­t hat.

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