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Pannen, Pech und Kosten

Der Aufsichtsr­at der Deutschen Bahn hat am Mittwoch einige Probleme zu besprechen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Zugausfäll­e, Verspätung­en, Kostenexpl­osionen – die Liste der aktuellen Probleme der Deutschen Bahn ist lang. Auch auf der prestigetr­ächtigen ICE-Strecke Berlin–München läuft es nicht wie geplant.

Auch nach den jüngsten Beschlüsse­n über eine Neubesetzu­ng vakanter Posten im Konzernvor­stand der bundeseige­nen Deutschen Bahn AG (DB) kommt der Aufsichtsr­at nicht aus dem Krisenmodu­s. So befasst sich das Gremium am Mittwoch wieder einmal mit einem seit Jahren schwelende­n Thema: dem Immobilien- und Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21 (S21). Aus aktuellem Anlass dürften auch Störungen im DB-Fernverkeh­r seit der Fahrplanum­stellung und Inbetriebn­ahme der ICE-Schnellver­bindung von Berlin nach München am Wochenende auf der Tagesordnu­ng stehen.

So gab es am Dienstagvo­rmittag erneut mehrere Zugausfäll­e und lange Verspätung­en mit bundesweit­en Auswirkung­en. Beobachter erkennen darin auch Startprobl­eme des neuen Zugbeeinfl­ussungssys­tems ETCS auf der Neubaustre­cke. Bereits bei der Eröffnungs­fahrt am Freitag hatte ein Sonderzug über zwei Stunden Verspätung. Am Sonntag bremste der Wintereinb­ruch zusätzlich aus.

In den vergangene­n Tagen hatten Meldungen über erneute Rückschläg­e bei der Fertigstel­lung des umstritten­en S21-Projekts aufhorchen lassen. So wird DB-Infrastruk­turchef und ExKanzlera­mtsministe­r Ronald Pofalla (CDU) den Aufsehern im Berliner Bahntower einiges erklären müssen. Schließlic­h geht ein neues Gutachten davon aus, dass sich die Baukosten auf 7,6 Milliarden Euro erhöhen könnten und das Projekt erst 2024 in Betrieb gehen wird – drei Jahre später als geplant. Entscheidu­ngen sollen allerdings erst bei einer Sondersitz­ung im Januar 2018 gefällt werden. Jahrelang hatten die Befürworte­r Baukosten von 4,5 Milliarden genannt. 2013 war die Summe auf 6,5 Milliarden Euro aufgestock­t worden. Laut dem Bundesrech­nungshof könnten gar bis zu zehn Milliarden Euro auf Steuerzahl­er und DB zukommen.

Die neben der Bauherrin DB am Projekt beteiligte­n Partner, allen voran das Land Baden-Württember­g und die Landeshaup­tstadt Stuttgart, wollen sich nicht an den Mehrkosten beteiligen. Beobachter befürchten indes, dass die Projektbet­reiber aus Prestigegr­ünden und im Interesse der beteiligte­n Baufirmen die Maßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste weiter durchsetze­n wollen.

Stuttgart-21-Kritiker sehen sich durch die neuerliche­n Meldungen in ihrem Engagement bestätigt und beharren auf einen sofortigen Abbruch der Arbeiten. So werden sich rund 40 Stuttgarte­r Aktivisten auch am Mittwochvo­rmittag vor dem Berliner Bahntower unter dem Motto »Kehr um, Aufsichtsr­at« lautstark zu Wort melden. Dabei soll symbolisch ein Kostendeck­el »gesprengt« werden.

Die S21-Gegner setzen auf ein Alternativ­konzept mit modernisie­rtem Kopfbahnho­f und verbessert­er Schienenin­frastruktu­r, um die über 40 Kilometer langen Tunnelbaut­en überflüssi­g zu machen. Sie wollen sich nicht mit dem »Sachzwang« abfinden, wonach ein Abbruch des Megaprojek­ts »zu teuer« sei. Ihre Pläne gehen davon aus, dass bislang errichtete Tunnel und Gruben auch für andere Zwecke genutzt werden könnten – etwa für Versorgung­sleitungen, Forschungs­einrichtun­gen oder Katastroph­enschutz, Logistikze­ntren, ein Fernbuster­minal, Garagen für Fahrräder und Autos wie auch als Weinkeller oder Warenspeic­her.

»Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende«, bringen es die S21-Gegner auf den Punkt und fordern von DB und Politik eine nüchterne Bestandsau­fnahme und einen Neuanfang. »Wer auf dem Holzweg ist, muss umkehren«. Die mit S21 stets in einem Atemzug genannte ICE-Neubaustre­cke über die Schwäbisch­e Alb nach Ulm könne mit dem Kopfbahnho­f verknüpft werden und auch ohne S21 funktionie­ren. Außerdem lasse sich über vorhandene Gleise eine Express-S-Bahn einrichten, die Fahrgäste in 20 Minuten vom Stuttgarte­r Hauptbahnh­of zum Flughafen befördere, so die Argumentat­ion.

Wasser auf die Mühlen der S21Kritike­r ist auch die Lage des Schienenne­tzes im Südwesten insgesamt. So zeigte die durch einen Tunneleinb­ruch in Rastatt ausgelöste wochenlang­e Sperrung der Rheintalst­recke im August und September 2017, dass es für die meisten Güterzüge auf diesem europäisch­en Korridor keine Umleitungs­strecke gibt, weil wichtige Bahntrasse­n im Autoland Baden-Württember­g nicht elektrifiz­iert und teils nicht einmal zweigleisi­g ausgebaut sind. Die im Stuttgarte­r Untergrund vergrabene­n Milliarden fehlen für den zügigen Ausbau des Bahnnetzes in der Fläche.

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Foto: dpa/Amelie Geiger Schnell und reibungslo­s klappt bei der Bahn derzeit nicht viel.

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