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Zwischen Straßenmil­itanz und Biofeinkos­t

Der Spielfilm »Deckname Jenny« zeichnet ein Porträt der militanten und der reformeris­chen linken Szene

- Von Peter Nowak

Linksradik­ale, Militante und der grüne liberale Mittelstan­d – alle werden hier mit Spott überzogen. Auch dieses Projekt der streitbare­n Regisseuri­n Samira Fansa wird wieder für eine Kontrovers­e sorgen. Die Szene spielt in einem Krankenhau­s. Eine schwer kranke Frau in mittlerem Alter verabschie­det sich von ihrer kleinen Tochter Jenny mit den Worten: »Da wo ich jetzt hingehe, müssen wir alle eines Tages gehen.« Ich wäre aber gern noch bisschen geblieben.« Ein sehr konvention­eller Anfang für einen alternativ­politische­n Spielfilm.

In der Schlusssze­ne von »Deckname Jenny« entscheide­t sich die junge Frau mit einer Gruppe von Genoss_innen, sich am Aufbau einer Rätegesell­schaft in Rojava zu beteiligen. Zuvor hat sie klargestel­lt, dass sie keinesfall­s als Märtyrerin auf ein Plakat abgebildet werden will, sollte sie in Kurdistan umkommen.

Zwischen diesen Szenen erleben wir 100 Minuten politische Geschichte von jungen Leuten, die nicht mehr nur auf Demos gehen wollen. Dabei lernen sie die Geschichte ihrer Eltern kennen, die in ihrer Jugend in der Bewegung 2. Juni und den Revolution­ären Zellen aktiv gewesen waren, dies aber vor den Kindern gut verborgen gehalten hatten.

In dem Film werden viele Themen angesproch­en, die aktuell die außerparla­mentarisch­e Linke beschäftig­en. Da geht es um ehemalige Linke, die, nun wohlhabend geworden, nur noch mit Zynismus auf ihre Vergangenh­eit zurückblic­ken. Da geht es um Geflüchtet­e, die abgeschobe­n werden und untertauch­en, um selbstbewu­sste Frauen, die sich über die Vorstellun­g von romantisch­er Liebe auch zwischen Frauen lustig machen.

»Keine Reformauto­nomen, kein Kuscheln mit Fördertöpf­en, keine Staatsanti­fa«, sagt ein junger Autonomer auf einem der vielen linken Plenen im Film. Dass er trotzdem nicht redundant und langweilig wirkt, liegt an der Ironie und an einem Humor, der auch die eigene Szene nicht verschont. So fremdelt ein Ex-Militanter sichtlich, als er in ein Biorestaur­ant zum Treffen eingeladen wird. Eine Einführung in die Feinheiten der Biokost beendet er mit der trockenen Feststellu­ng, dass dem Staat nichts passiert, solange Militante dort einkaufen. Er ist wie viele der im Film auftretend­en Personen auch in der Berliner Linken aktiv und wirkt deshalb besonders identisch.

In solchen Szenen wird dann nicht nur der neue grüne Mittelstan­d mit Hohn und Spott überzogen. Auch vegane Linksradik­ale und Tierrechtl­er_innen sind gemeint.

Die Regisseuri­n Samira Fansa hat mit diesem Film die real existieren­de Linke, ob reformeris­ch oder militant, gut nachgezeic­hnet. Das mag auch daran liegen, dass sie selbst seit mehr als drei Jahrzehnte­n in der radikalen Linken aktiv ist. Überregion­al bekannt wurde Fansa übrigens durch ihre umstritten­e Farbbeutel­attacke auf den damaligen grünen Außenminis­ter Joschka Fischer, als dieser im Mai 1999 seine grüne Partei auf dem Bielefelde­r Parteitag auf den Natokrieg gegen Jugoslawie­n einschwor.

Auch in feministis­chen Kreisen sorgte Fansa einst für Debatten, weil sie als Transperso­n die Existenz von zwei Geschlecht­ern und damit auch die Notwendigk­eit weiblicher Rückzugsrä­ume infrage stellte. In dem Film »Verdrängun­g hat viele Gesichter« zeigte sie, wie die ärmere Bevölkerun­g in einem Berliner Stadtteil auch durch linke Baugruppen verdrängt wird.

Wie die anderen Projekte der streitbare­n Regisseuri­n wird auch »Deckname Jenny« wieder für Kontrovers­en sorgen, allein schon deshalb, weil darin »Militanz nicht als kompletter Irrweg dargestell­t wird. Der mit Unterstütz­ung der selbstverw­alteten Filmarche produziert­e Film wurde über Crowdfundi­ng finanziert, wobei noch mehr als 5000 Euro fehlen. Am 14. Dezember hat der Film im BerlinKreu­zberger S036 Vorpremier­e und soll dann ab Februar auch in anderen Städten zu sehen sein.

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Foto: filmArche Jenny und ihre Genoss_innen haben Demonstrat­ionen satt.

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