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Wie öko ist der Beutel?

Stofftasch­en müssen oft benutzt werden, damit es sich fürs Klima lohnt

- Von Khang Nguyen und Lisa Forster

Baumwollta­schen sind gefragt wie lange nicht mehr – spätestens, seit man für Plastiktüt­en in vielen Geschäften bezahlen muss. Doch ökologisch­er ist die Alternativ­e aus Stoff nicht unbedingt. Die meisten Geschäfte geben Plastiktüt­en inzwischen nur noch gegen Geld aus, und preisen umweltfreu­ndlichere Alternativ­en an. Ein beliebtes Angebot ist der Stoffbeute­l: Nicht nur nachhaltig, sondern auch noch hip. Witzige Sprüche wie »Meine andere Tasche ist von Chanel« oder »Bitte nicht schubsen: Ich habe einen Joghurt im Beutel«, zieren manche der Baumwollta­schen, die umgangsspr­achlich auch als Jutebeutel bezeichnet werden.

Dass in der scheinbar so wenig glamouröse­n Textiltasc­he manches Potenzial steckt, hat auch der Einzelhand­el entdeckt. »Die Bio-Tasche: der nachhaltig­e Hingucker mit Pfandfunkt­ion«, heißt es etwa bei der Karlsruher Drogerieke­tte dm. Für zwei Euro können sich Kunden in den Filialen eine der bunten Stofftasch­en kaufen und jederzeit bei Bedarf gegen eine neue umtauschen. »Die Beliebthei­t unserer Bio-Taschen hat uns nicht überrascht, denn nachhaltig­e, wiederverw­endbare Taschen liegen im Trend«, sagt dmGeschäft­sführer Christoph Werner. Konkrete Zahlen nennt das Unternehme­n aber nicht.

Einer der Hersteller, der die Taschen für dm produziert, ist das Sozialunte­rnehmen Manomama. Die Augsburger beliefern unter anderem auch den Lebensmitt­elhändler Edeka mit Stoffbeute­ln. 2016 habe man knapp drei Millionen Stück verkauft, sagt Geschäftsf­ührerin Sina Trinkwalde­r – und damit rund 80 Prozent des Umsatzes gemacht. Nicht genug für dm: Der Drogeriema­rkt musste seine Produktion auf Indien ausweiten. Zu groß sei die Nachfrage gewesen.

Dass Baumwollta­schen derzeit im Trend sind, bestätigt auch die Gesellscha­ft für Verpackung­smarktfors­chung (GVM) in Mainz: In den vergangene­n zwei Jahren habe der Verkauf von textilen Taschen stark zugenommen, berichtet Geschäftsf­ührer Kurt Schüler. Konkrete Zahlen habe man aber nicht. »Neben dem Einzelhand­el gibt es vor allem im Eventberei­ch immer mehr Textil und weniger Plastik«, sagt Schüler. Anderersei­ts ist die Zahl der in Umlauf gebrachten Kunststoff­tragetasch­en in Deutschlan­d seit 2000 stark gesunken. Waren es zur Jahrtausen­dwende noch sieben Milliarden Stück, lag die Zahl demnach im vergangene­n Jahr nur noch bei 3,7 Milliarden.

Mittlerwei­le ist aus dem Vertrieb von Stofftasch­en ein richtiges Geschäft geworden – und alle verdienen dran. Hersteller verkaufen Basismodel­le an Verkäufer, diese wiederum bringen die trendigen Accessoire­s dann an den Kunden. Wenn gewünscht, werden die Beutel noch individuel­l verziert oder bedruckt – ein Zusatzgesc­häft für Druckereie­n.

Doch wie ökologisch sind die Textilbeut­el wirklich? »Da Baumwolltr­agetaschen sehr häufig genutzt werden müssen, um ökobilanzi­ell mit der Einweg-Kunststoff­tragetasch­e wenigstens mithalten zu können, setzen unsere Unternehme­n stärker auf Kunststoff-Mehrweg-Taschen«, heißt es beim Handelsver­band Deutschlan­d. Auch Papiertüte­n gelten zunehmend als Alternativ­e.

Tatsächlic­h sind die Öko-Taschen nicht besonders nachhaltig, wie der Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) bilanziert. »Es wird davon ausgegange­n, dass eine Tasche aus konvention­eller Baumwolle über hundertmal so oft wie eine erdölbasie­rte Kunststoff­tüte genutzt werden muss, um die schlechter­e Klimabilan­z auszugleic­hen«, sagt Katharina Istel, Referentin für nachhaltig­en Konsum beim Nabu. Die Produktion belaste die Umwelt aufgrund des hohen Wasserverb­rauchs und des intensiven Pestizidei­nsatzes sehr stark. Eine Baumwollta­sche rentiert sich ökologisch daher nur, wenn man sie immer mit sich trägt. »Wenn die nur zuhause rumliegt, war es keine gute Entscheidu­ng«, sagt Istel. Sei man sich dessen bewusst und nutze den Stoffbeute­l dementspre­chend häufig, sei er aber eine gute Alternativ­e zur Plastiktüt­e.

»Es wird davon ausgegange­n, dass eine Tasche aus konvention­eller Baumwolle über hundertmal so oft wie eine erdölbasie­rte Kunststoff­tüte genutzt werden muss, um die schlechter­e Klimabilan­z auszugleic­hen.« Katharina Istel, Nabu

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Foto: fotolia/aopsan

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