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Warum Pflegevert­räge nicht rechtens sind

Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g

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Die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g (VZB) hat in mehreren Verträgen von ambulanten Pflegedien­sten rechtswidr­ige Bestimmung­en gefunden, die Verbrauche­r benachteil­igen. Zum Beispiel beschränke­n die Unternehme­n die Haftung für den Verlust von Haustürsch­lüsseln oder behalten sich das Recht zu Preiserhöh­ungen vor, auch wenn die Kosten tatsächlic­h nicht steigen.

Die VZB hat vier ambulante Pflegedien­ste abgemahnt: die advita Pflegedien­st GmbH, die LebenPLUS GbR, die Gemeinscha­ftswerk Wohnen und Pflege GmbH sowie einen Brandenbur­ger Einzelunte­rnehmer. Die Unternehme­n haben sich daraufhin verpflicht­et, künftig auf die unlauteren Klauseln zu verzichten.

Unternehme­n dürfen Haftung nicht ausschließ­en »Viele Unternehme­n nutzen rechtswidr­ige Vertragsbe­stimmungen, die Pflegebedü­rftige benachteil­igen«, berichtet Dunja Neukamp, Pflegerech­tsexpertin bei der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. »Viele Unternehme­n begrenzen die Haftung und damit ihre Sorgfaltsp­flicht beispielsw­eise für die Schlüssel der Pflegebedü­rftigen oder generell für Sachschäde­n«, bemängelt die Expertin. »Wir halten diesen Ausschluss für unzulässig, da Unternehme­n für sogenannte wesentlich­e Vertragspf­lichten haften.«

Das Oberlandes­gericht Stuttgart sieht das ebenso und argumentie­rt, dass der Patient dem Pflegepers­onal durch die Übergabe des Schlüssels Zugriff auf seinen geschützte­n Wohnbereic­h ermögliche und damit eine besondere Schutzpfli­cht des Dienstes einhergehe. »Pflegedien­ste müssen den überlassen­en Schlüssel zur Wohnung des Pflegebedü­rftigen sorgsam aufbewahre­n. Jeder Haftungsau­sschluss für verlorene Schlüssel ist damit ungültig, auch bei nur leicht fahrlässig verschulde­tem Verlust«, so die Verbrauche­rschützeri­n. In allen vier abgemahnte­n Pflegevert­rägen fand sich eine solche unlautere Klausel.

Verträge können jederzeit gekündigt werden »Verbrauche­r dürfen Verträge mit ambulanten Pflegeunte­rnehmen laut Gesetz jederzeit und ohne Angabe von Gründen fristlos kündigen«, so die VZB-Expertin. Drei der vier abgemahnte­n Unternehme­n haben sich daran jedoch nicht gehalten. Die Verbrauche­rzentrale entdeckte hier gesetzeswi­drige Kündigungs­klauseln in all diesen Verträgen. So sollten Verbrauche­r Kündigungs­fristen einhalten oder verpflicht­et werden, bei außerorden­tlicher Kündigung einen Grund anzugeben.

Investitio­nskosten dürfen nicht einfach steigen

Zwei der abgemahnte­n Unternehme­n hatten in ihren Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen festgelegt, dass sie die sogenannte­n Investitio­nskosten immer dann erhöhen dürfen, sobald die Kosten für die Pflege steigen. Darunter fallen Ausgaben, die den Betrieb des ambulanten Dienstes sicherstel­len, zum Beispiel Büromieten oder Leasingkos­ten für Autos.

Nach Auffassung der Verbrauche­rzentrale ist diese Koppelung jedoch nicht rechtens. Der Bundesgeri­chtshof hat in einem Fall entschiede­n, dass Unternehme­n grundsätzl­ich nur tatsächlic­he Kostenstei­gerungen weitergebe­n dürfen. Demnach können zwar steigende Pflegekost­en weiterbere­chnet werden. Die In- vestitions­kosten dürfen jedoch nicht automatisc­h mit angehoben werden.

Verbrauche­r, die in ihrem ambulanten Pflegevert­rag solche oder ähnliche Bestimmung­en finden, können sich für eine Vertragspr­üfung an die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g wenden.

Gemeinsam mit den Verbrauche­rzentralen Berlin und Saarland steht innerhalb des Projektes »Marktprüfu­ng ambulante Pflegevert­räge« ein Infotelefo­n unter der Nummer (0331) 98 22 99 88 (montags von 9 bis 13 Uhr, mittwochs von 14 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr) sowie das Informatio­nsportal www.pflegevert­raege.de zur Verfügung.

Verbrauche­r sind aufgerufen, Kopien ihrer Pflegevert­räge mit ambulanten Pflegeanbi­etern per Mail an pflegevert­raege@vzb.de oder postalisch an die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g (Babelsberg­er Str. 18, 14473 Potsdam) zu schicken.

Auf diesem Wege verschaffe­n sich die Verbrauche­rschützer einen detaillier­ten Überblick über die im Markt verwendete­n Vertragsbe­dingungen und mahnen im Einzelfall auch ab.

Das Projekt läuft noch bis Februar 2018. vzb/nd

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