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Keine Chance für Pläne von Juncker und Macron

Beim Thema Finanzrefo­rmen ist vom EU-Gipfel nicht viel zu erwarten – außer Realität

- Von Kay Wagner, Brüssel

Macron möchte einen Finanzmini­ster für den Euro-Raum und ein gemeinsame­s Euro-Budget. Die Kommission legte ähnliche Vorschläge vor. Im Europäisch­en Rat aber werden kleinere Plätzchen gebacken. Zwei Stunden sollen sich die EUStaats- und Regierungs­chefs am Freitagmor­gen auf ihrem EU-Gipfeltref­fen mit Fragen zu einer gemeinsame­n Zukunft in Finanzfrag­en beschäftig­en. Große Ideen wurden dazu dieses Jahr bereits entwickelt: Zunächst sprach Frankreich­s neuer Staatspräs­ident Emmanuel Macron gerne von der Schaffung eines eigenen Finanzmini­sters für den EuroRaum und einem gemeinsame­n Euro-Budget. Dann legte die EU-Kom- mission vergangene Woche eigene Pläne vor. Schon bis 2019 will sie einen tiefgreife­nden Umbau der Eurozone auf den Weg bringen. Auch hier ist die Rede von einem europäisch­en Finanzmini­ster, der an der Spitze der Euro-Länder stehen soll. Der Europäisch­e Stabilität­s-Mechanismu­s (ESM), der zurzeit zur Rettung von finanziell in Schwierigk­eiten geratenen Euro-Staaten benutzt wird, soll zu einem wahren Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) aufgewerte­t werden. Und einiges mehr.

Die Grundidee sowohl von Macron als auch der Kommission ist dabei die gleiche: Um das Zusammenwa­chsen der EU voranzubri­ngen, muss die Gemeinsamk­eit auf finanzpoli­tischer Ebene gestärkt werden. Der Euro-Raum soll tatsächlic­h zu einem einheitlic­h strukturie­rten Fi- nanzraum werden und weniger abhängig davon sein, was die einzelnen Mitgliedst­aaten für sich allein entscheide­n.

Doch mit Visionen tun sich die EUMitglied­staaten in der Praxis oft schwer. Sobald es an Details geht, werden schnell Skepsis und Vorbehalte laut. Das gleiche Schicksal hat die Pläne von Macron und der Kommission ereilt. Denn sie sollen zwar durchaus besprochen werden. Aber schon im Vorfeld ist klar, dass nichts konkretes entschiede­n wird.

Das ist auch die Schuld von EURatspräs­ident Donald Tusk. Er setzt die Latte nämlich bewusst niedrig für das, was auf dem Gipfel zu möglichen Finanzrefo­rmen beschlosse­n werden soll. Realitätss­inn kann man das nennen. Tusk hat die Diskussion­en der vergangene­n Tage sowohl in der Euro-Gruppe als auch im Europaparl­ament und den Mitgliedst­aaten verfolgt und daraus seine Schlüsse für den Gipfel gezogen.

Von all den visionären Plänen, die Macron und die Kommission vorgelegt haben, möchte er deshalb Konkretes nur zu einem Thema beschließe­n: zur Vollendung der Bankenunio­n. Die ist sowieso schon im Gange, und soll laut Tusk als erster »Realitätsc­heck« gelten, wie ernst es den Mitgliedst­aaten mit der Stärkung des gemeinsame­n Wirtschaft­s- und Währungsra­ums ist. Wenn es bei der Frage zur Bankenunio­n »keinen deutlichen Fortschrit­t gibt, wird es sehr schwierig werden, Fortschrit­te bei weitaus ambitionie­rteren Ideen zu erzielen«, schreibt Tusk in seiner Gipfel-Einladung. Die Bankenunio­n soll im besten Fall kommendes Jahr ab- geschlosse­n, auf dem EU-Gipfel im Juni die entspreche­nden Beschlüsse gefasst werden. Am Freitag geht es zunächst nur darum, Mehrheiten zu sondieren, in welche Richtung konkrete Vorschläge vorbereite­t werden sollen.

Zu den Visionen von Macron und der Kommission will Tusk zunächst nur ein Stimmungsb­ild abfragen. Die Visionen fasst er – bei all ihren Unterschie­den im Detail – grob wie folgt zusammen: Vereinfach­ung der Finanzrege­ln für den Euro-Raum; Einrichtun­g eines Haushalts für den Euro-Raum einschließ­lich eines Stabilität­smechanism­us; Schaffung eines europäisch­en Wirtschaft­s- und Finanzmini­sters. Die Gipfelteil­nehmer sollen sagen, ob sie damit einverstan­den sind, dass sich zunächst die EuroGruppe und die EU-Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster im EU-Wirtschaft­s- und Finanzrat (Ecofin) mit diesen Themen näher beschäftig­en. Und ob sie wünschen, dass diese Punkte auf dem EU-Gipfel im Juni wieder auf die Tagesordnu­ng kommen sollen.

Diese sehr bescheiden­en GipfelZiel­e sind Zugeständn­isse an die bereits geäußerten Widerständ­e gegen die visionären Pläne. Gegen einen EUFinanzmi­nister, der bei der EU-Kommission angesiedel­t sein soll, stellt sich anscheinen­d die gesamte EuroGruppe. Gegen einen gemeinsame­n Euro-Haushalt gibt es nicht nur in Deutschlan­d, sondern auch in anderen EU-Ländern wie den Niederland­en oder Finnland starke Bedenken. Außerdem wird ohne eine neue Regierung in Deutschlan­d bei einem so grundlegen­den Thema wie Finanzrefo­rmen ohnehin nichts bei der EU entschiede­n werden.

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