nd.DerTag

In der Ferne kein totes Land

Der Landtag debattiert­e die Entwicklun­g in den Randregion­en

- Von Wilfried Neiße

Die Einwohner in den Randregion­en Brandenbur­gs leben gern dort, bewerten die Lebensqual­ität in ihrer Heimat positiv und erwarten dennoch Veränderun­gen. Wie geht es nach der Absage der Kreisgebie­tsreform nun weiter im ländlichen Raum? Der Landtag debattiert­e am Mittwoch in der Aktuellen Stunde Zustände und Perspektiv­en der Regionen fern von Berlin, die zwei Drittel des Bundesland­es einnehmen.

Unter der Überschrif­t »Fernes Land, totes Land. Keine Option für Brandenbur­g« hatte die AfD-Fraktion dieses Thema auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Einhellig verurteilt­en die anderen Fraktionen diese Überschrif­t als »Schwarzmal­erei« und als Versuch, die wirkliche Entwicklun­g schlechtzu­reden. Dabei handle es sich um eine Beleidigun­g der Kommunen, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n viel erreicht haben, sagte die SPD-Abgeordnet­e Jutta Lieske. Keineswegs seien die kleinen Städte in Brandenbur­g im Stadium des Sterbens. Bezogen auf die AfD schloss Lieske: »Sie wollen Ängste verbreiten und Stimmung machen im ländlichen Raum. Was wir nicht brauchen sind Untergangs­szenarien à la AfD.«

»Ein Land kann fern sein – aber tot? Haben Sie die dort lebenden Menschen vergessen?«, fragte Anke Schwarzenb­erg (LINKE) die AfD. Schwarzenb­erg warb dafür, die Differenzi­ertheit der ländlichen Räume anzuerkenn­en und daraus Entwicklun­gsperspekt­iven und Chancen abzuleiten. Sie verwies auf die jüngste Befragung, bei der Bürger die Lebensqual­ität im ländlichen Raum positiv bewerteten, allerdings auch Veränderun­gen erwarten.

Dies war dann die Stunde der gegenseiti­gen Vorwürfe. Der CDU-Abgeordnet­e Henryk Wichmann warf der rot-roten Landesregi­erung vor, ungünstige Tendenzen der Vergangenh­eit einfach fortzuschr­eiben und damit eine negative Sicht auf Brandenbur­g zu verbreiten, obwohl es längst anders laufe. »Die ländliche Region entwickelt sich viel besser, als Sie in Ihren Plänen voraussetz­en«, meinte Wichmann. Deshalb sei die Politik der SPD »seit Jahren falsch«. Wichmann zählte dazu die ursprüngli­chen Ziele bei der Polizeistr­uktur, die Veränderun­gen in der Schullands­chaft, womit die ländliche Region »komplett vernachläs­sigt« worden sei. Er zitierte aus einem SPD-Papier aus dem Jahr 2007, in dem von »kontrollie­rter Verwilderu­ng« die Rede gewesen sei und eine entstehend­e »Leere« durchaus positiv gesehen werde. Auch in berlinfern­en Regionen gehen die Einwohnerz­ahlen drastisch nach oben, behauptete Wichmann. Tatsächlic­h war es aber der CDU-Politiker Jörg Schönbohm, der als brandenbur­gischer Innenminis­ter vor 15 Jahren ausdrückli­ch die Menschen davor gewarnt hatte, sich in Brandenbur­g anzusiedel­n. Sein Argument: Die Neubürger werden nicht erwarten können, dass die Versorgung­sstruktur aufrechter­halten werden kann. Den geltenden Landesentw­icklungspl­an kritisiert­e der CDUAbgeord­nete Wichmann, dieser Plan unterbinde Bebauung, »weil Naturschut­z oberste Priorität« habe und Splittersi­edlungen verboten seien. Das verhindere die Schaffung neuer Arbeitsplä­tze. Ihm sei ein Hotelbesit­zer bekannt, der vergeblich beantragt habe, sein 25-Betten-Hotel auf 50 Betten zu vergrößern.

Die Grünen kritisiere­n an der geltenden Landesplan­ung, diese sei »zu stark auf Berlin zugeschnit­ten«. Diese Berlin-Zentrierun­g störe die Gestaltung der Beziehunge­n zu Hamburg, Leipzig und Szczecin, sagte der Abgeordnet­e Michael Jungclaus. Es wäre ohnehin sinnvoller gewesen, mit der Debatte zur Landesentw­icklung zu warten, bis im Februar 2018 der überarbeit­ete Entwurf zur Landesplan­ung vorliege. Jungclaus wehrte sich dagegen, die Landesplan­ung auf Baugescheh­en zu reduzieren. Dazu gehöre auch, wenn wie in Mühlberg »Ackerboden mit den besten Werten für den Kiesabbau geopfert« werde.

Infrastruk­turministe­rin Kathrin Schneider (SPD) verwies die Vorstellun­g von einem allseits boomenden Brandenbur­g ins Reich der Fabel. »Wir haben kein Wachstum überall in Brandenbur­g, das ist einfach nicht wahr.« Auf nachhaltig­e Schrumpfun­gsprozesse habe die Landespla- nung nach 1990 reagieren müssen. Sie erwähnte Cottbus, wo ein »regelrecht­er Center-Krieg« ausgebroch­en sei, der die Innenstadt nachhaltig geschädigt habe. Dort habe die Planung restriktiv eingreifen müssen. Auch wenn punktuell seit drei oder vier Jahren andere Tendenzen zu beobachten seien – es werde nicht möglich sein, in jedem Ort eine Schule, eine Verkaufsei­nrichtung oder ein Theater zu etablieren.

Ministerin Schneider verteidigt­e das Prinzip der Landesvorg­aben: »Innenentwi­cklung vor Außenentwi­cklung«. Dieser Grundsatz gelte für große, mittlere und kleine Kommunen und diene dem Schutz und Erhalt der Kulturland­schaft. Nicht zuletzt sichere dieser Grundsatz mit dem Erhalt von Acker- und Weidefläch­en »die Produktion­sgrundlage der Landwirtsc­haft«.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Der Babelsberg­er Posaunenor­chester spielt am Mittwoch beim Weihnachts­singen der Abgeordnet­en.

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