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Drunter und drüBER

Es mehren sich Zweifel, ob das Terminal des Hauptstadt­airports BER jemals fertig wird

- Von Andreas Fritsche

Berlins Pannenflug­hafen soll endlich einen Geburtster­min erhalten.

Wie wird das Ende vom Lied am Großflugha­fen in Schönefeld klingen? Flughafenc­hef Lütke Daldrup will an diesem Freitag einen Eröffnungs­termin nennen. Vielleicht wäre ein Abriss zweckmäßig­er. Einmal muss es doch funktionie­ren, oder? Am Großflugha­fen BER wird ein Feuer simuliert. Der Rauchmelde­r schlägt an, am Dach öffnen sich automatisc­h Klappen, damit der Qualm abziehen kann, und eine Durchsage ertönt: »Achtung, Achtung, bitte räumen Sie sofort das Gebäude! Benutzen Sie keine Aufzüge! Helfen Sie hilfsbedür­ftigen Personen und Kindern!« Ingenieur Torsten Simon stellt befriedigt fest: »Es funktionie­rt.«. Aber als Simon gefragt wird, ob der Hauptstadt­flughafen BER in Schönefeld nun also eröffnen könnte, muss er Lachen. Ein paar Monate ist das her. Ein Kamerateam hat die Szene aufgezeich­net, Spiegel TV strahlte die Bilder aus.

»Es funktionie­rt«, hat Simon gesagt. Aber tatsächlic­h funktionie­rt auf der Baustelle sehr wenig. Lediglich drei Prozent der Anlagen haben ein TÜV-Siegel, heißt es. 170 000 Mängel galt es ursprüngli­ch zu beheben. Jetzt seien es noch 13 000, hatte der neue Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup den Reportern von Spiegel TV erklärt. Mittlerwei­le ist hinter vorgehalte­ner Hand von 7000 großen und kleinen Problemen die Rede. Das klingt nach gewissen Fortschrit­ten. Doch dem Vernehmen nach stoßen die Bauarbeite­r, während sie schon bekannte Mängel beheben, laufend auf neue Schwierigk­eiten.

Da herrscht natürlich Skepsis, egal, welchen Eröffnungs­termin Lütke Daldrup nun auch immer nennen wird. Diesen Freitag im Aufsichtsr­at will er das tun. So hat er es zumindest angekündig­t. Doch nicht nur Brandenbur­gs CDU-Landtagsfr­aktion weiß: »In der Vergangenh­eit wurden Eröffnungs­termine und Zeitpläne im- mer von der Realität überholt und erwiesen sich als nicht von Fakten untersetzt­e politische Wunschvors­tellungen.« Mit dieser Begründung bestimmte die CDU die Aktuelle Stunde des Landtags am Donnerstag in Potsdam. Die stand unter der Fragestell­ung: »Wie belastbar wird der neue Eröffnungs­termin sein?«

Auslöser war ein nichtöffen­tlicher Vor-Ort-Termin des BER-Sonderauss­chusses des Landtages am 4. Dezember. Da soll Technikche­f Jörg Marks den Abgeordnet­en erstmals reinen Wein eingeschen­kt haben, so das Gefühl mehrerer Politiker, die dabei gewesen sind. Nachdem bei ihnen jahrelang mal mehr und mal weniger der Eindruck erweckt wurde, es seien jeweils nur noch ein paar Kleinigkei­ten zu erledigen und man sei auf einem guten Weg, waren die Abgeordnet­en nun ziemlich schockiert.

Einige fragen sich jetzt sogar, ob es nicht besser wäre, das verpfuscht­e Terminal abzureißen und ein neues zu bauen. »Diese Überlegung hätte man irgendwann anstellen müssen«, findet Christine Dorn. Sie ist Vorsitzen- de des Bürgervere­ins Brandenbur­gBerlin (BVBB), der seit zwei Jahrzehnte­n gegen den Flughafens­tandort Schönefeld kämpft. Der Alternativ­standort Sperenberg fiel einst auch deswegen aus den Überlegung­en heraus, weil dessen auf umgerechne­t 450 Millionen Euro veranschla­gte Verkehrsan­bindung als zu teuer empfunden wurde, erinnert Dorn.

Die Summe wirkt heute lächerlich gering angesichts der Kostenexpl­osion in Schönefeld. Statt der kalkuliert­en zwei Milliarden Euro sind hier schon mehr als fünf Milliarden verschleud­ert worden. Nach Ansicht von Christine Dorn wäre es ein Zeichen wirtschaft­licher Vernunft, endlich die Reißleine zu ziehen. Sie hat ein griffiges Beispiel: Wenn ein Informatik­er ein Programm schreibe und am Ende nicht innerhalb einer bestimmten Zeit alle Fehler gefunden und ausgemerzt habe, dann schreibe er das Programm lieber gleich neu, weil das weniger aufwendig sei, als weiter die Fehler zu suchen.

Dass die Standortge­gner solche Ansichten vertreten und dabei hof- fen, dass Sperenberg wieder ins Spiel kommt, ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass nun auch Politiker dazu tendieren, die diese Variante früher noch für irrwitzig gehalten hätten.

Kann es denn überhaupt noch was werden mit dem verkorkste­n Terminal? »Meine Zweifel sind zunehmend gewachsen«, bekennt der Landtagsab­geordnete Axel Vogel (Grüne). Nach seiner Ansicht sieht alles »ziemlich ausweglos aus«. Darum schlägt Vogel einen Baustopp vor. Dann wäre zu analysiere­n, ob das Gebäude durch Entkernen noch zu retten sei oder lieber abgerissen werden sollte. Der Baustopp wäre vernünftig­er, als nach dem Prinzip Hoffnung einen möglichst weit entfernten Eröffnungs­termin zu nennen, der dann doch wieder nicht gehalten werden kann.

Spekuliert wurde zuletzt auch, ob der Flughafen ohne das Haupttermi­nal mit provisoris­chen Abfertigun­gskapazitä­ten in Betrieb gehen könnte. Die Flughafeng­esellschaf­t hat postwenden­d dementiert. »Die Inbetriebn­ahme des BER wird mit allen Gebäuden erfolgen«, teilte sie trotzig mit. »Trotz aller technische­n Schwierigk­eiten bleibt das Fluggastte­rminal das Kernstück des BER und wird fertiggest­ellt.«

Aber was wird das noch kosten und wer wird es bezahlen? Die Flughafene­igentümer Bund, Berlin und Brandenbur­g haben eigentlich die Nase voll von immer neuen Geldforder­ungen. Zuletzt hatte es für die Zeit bis 2017 ein Darlehn gegeben, zu dem das Land Brandenbur­g 409,6 Millionen Euro beitrug. Weiteres Geld werde der Staat nicht spendieren, hat Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE) mehrmals versproche­n. Im Landeshaus­halt 2018 sind folgericht­ig keine Mittel für die Flughafeng­esellschaf­t eingeplant. Aber was soll geschehen, wenn die Flughafeng­esellschaf­t im kommenden Jahr tatsächlic­h 600 Millionen Euro benötigen sollte und keinen Kredit erhält? Die aktuelle Liquidität­sreserve beträgt 1,5 Milliarden Euro.

Am 30. Oktober 2011 sollte der neue Hauptstadt­flughafen BER in Betrieb gehen. Mehrere Eröffnungs­termine sind seitdem ergebnislo­s verstriche­n. An diesem Freitag will Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup dem Aufsichtsr­at einen weiteren Termin nennen. Es wird spekuliert, dass es sich um ein Datum im Herbst 2020 handeln könnte.

»Trotz aller technische­n Schwierigk­eiten bleibt das Fluggastte­rminal das Kernstück des BER und wird fertiggest­ellt.« Aus einer Presseerkl­ärung der Flughafeng­esellschaf­t

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Foto: dpa/Bernd Settnik
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Foto: dpa/Bernd Settnik Ein umgekippte­s Schild liegt an der Zufahrt.
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Foto: nd/Ulli Winkler Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup

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