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Putin bewirbt sich als Unabhängig­er

Pressekonf­erenz des russischen Präsidente­n als Wahlkampfa­uftakt

- Klaus Joachim Herrmann zum Wahlkampfa­uftakt in Russland

Moskau. Vor der Präsidente­nwahl in Russland 2018 hat sich Staatschef Wladimir Putin bei seinem jährlichen großen Presseauft­ritt als Garant der Stabilität präsentier­t. Er werde nicht für eine Partei, sondern als unabhängig­er Kandidat ins Rennen gehen, kündigte er am Donnerstag in Moskau an. Bei der fast vierstündi­gen Fragestund­e mit etwa 1600 Journalist­en kamen vor allem die Innenpolit­ik, aber auch Krisenherd­e wie Nordkorea zur Sprache. Putin kritisiert­e die USA, die sich nicht an Rüstungsko­ntrollvert­räge hielten. Er hoffe, dass Präsident Donald Trump am Wunsch nach besseren Beziehunge­n mit Moskau festhalte.

Im Konflikt um das nordkorean­ische Atomwaffen­programm rief Putin die USA wie Nordkorea zur Zurückhalt­ung auf. Russland werde Nordkorea nicht als Atommacht anerkennen, sagte Putin, fügte aber hinzu: »Nordkorea sieht keinen anderen Weg, seine Existenz zu sichern.« Der Führung der Ukraine warf er vor, sich Gesprächen mit den Separatist­en zu verweigern.

Seinen stärksten Trumpf spielte Wladimir Putin zum Wahlkampfa­uftakt fast beiläufig aus. Er verwies auf seiner Jahrespres­sekonferen­z auf die Lage in den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre. Damals war das Land von den Wirren der Perestroik­a, dem Zerfall der Sowjetunio­n, einer wilden Kapitalisi­erung und erbitterte­n Machtkämpf­en schwer erschütter­t. Die inzwischen 17 Jahre sozial-ökonomisch­er Erfolge, so Russlands starker Mann, seien heute die Erklärung für das Fehlen realer Opposition.

In der Tat steht Boris Jelzins Nachfolger für die eindrucksv­olle Stabilisie­rung Russlands, seinen Aufschwung und dessen Rückkehr in den Klub der Weltmächte. Mehr als genug Probleme muss der Kremlchef einräumen, doch allein der erste Platz beim Export von Getreide wäre schon Triumph. Dieses Gut wurde in der Sowjetzeit beim Import aus Kanada und den USA buchstäbli­ch gegen Gold aufgewogen.

Seine Bilanz macht Putin stark, faktisch unanfechtb­ar und damit konkurrenz­los. Doch er selbst verweist auch auf jene jungen Menschen, die sich der schweren Zeiten vor dem Jahr 2000 kaum noch oder gar nicht erinnern. Davon wird es immer mehr geben. Bleibt die Entwicklun­g in ihrer Logik, wird Putin 2018 wieder Präsident, Russland um eine ernster zu nehmende Opposition künftig aber nicht mehr herumkomme­n.

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