Ferienflieger Niki bleibt am Boden
Weil Lufthansa den Air-Berlin-Deal teilweise platzen lässt, muss die Gesellschaft Insolvenz anmelden
Die Fluggesellschaft Niki gehört zu Air Berlin. Jetzt musste auch sie Insolvenz anmelden. Hintergrund ist eine geplatzte Übernahme durch den Marktführer Lufthansa. Nach der überraschenden Insolvenz der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki richten sich Schuldzuweisungen an die Wettbewerbshüter der Europäischen Union. Nachdem ein im Oktober abgegebenes Kaufangebot am Mittwoch von Lufthansa zurückgezogen wurde, musste die Niki noch am selben Abend Insolvenz anmelden und den Betrieb ihrer 21 Flugzeuge umgehend einstellen. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte wiederholt Bedenken wegen einer möglichen Wettbewerbsverzerrung bei einer Übernahme von Niki durch die Lufthansa geäußert. Damit begründete Lufthansa nun auch die Rücknahme des Angebots. Eine schnelle Freigabe des Kaufs sei nicht zu erwarten gewesen.
Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) kritisierte das Scheitern der Übernahme: »Die Bundesregierung bedauert sehr, dass die Europäische Kommission ganz offenbar kein Einverständnis erteilen wollte.« Man habe sich eine einvernehmliche Lösung zwischen Lufthansa und EU gewünscht. Niki hatte nach der Insolvenz von Air Berlin den Betrieb nur aufrecht erhalten können, weil die Bundesregierung der Muttergesellschaft einen Überbrückungskredit gewährte. Auch der Generalbevollmächtigte von Air Berlin, Frank Kebekus, kritisierte die Kommission scharf und bezeichnete ihre Haltung als nicht nachvollziehbar.
Wie die EU-Kommission auf Anfrage von »neues deutschland« jedoch mitteilte, hatte Vestager bislang keine endgültige Entscheidung getroffen. Noch am Dienstag betonte sie, die Untersuchung des Kaufangebots bis zum 21. Dezember fortführen zu wollen. Anzeichen für eine Ablehnung des Kaufs verdichteten sich aber. Schon in einem Schreiben im Oktober hatte die Kommission die Befürchtung geäußert, dass eine Übernahme von Niki durch die Lufthansa den Wettbewerb auf über 100 Flugrouten einschränken könnte. Das Unternehmen hatte sich daraufhin bereit erklärt, nur die Flotte der Niki zu übernehmen, die Start- und Landeslots aber aus dem Kaufvertrag auszuklammern. Der Kommission reichte das nicht: »Die gemachten Zusagen waren nicht ausreichend«, sagte Vestager am Donnerstag. Ein Interview der Kommissarin am Montag in der »Bild« konnte bereits als Drohung gedeutet werden. Ihr Büro werte derzeit interne E-Mails und Vorstandsprotokolle aus, hieß es. Es prüfe den Verdacht illegaler Vorabsprachen zwischen Lufthansa und Air Berlin.
Indes bekundete Österreichs Bundeskanzler Christian Kern, dass er Niki erhalten will. »Man wird sehen, ob es möglich ist, das Unternehmen aufzufangen, das wäre uns ein Anliegen.« Von der Pleite sind rund 1000 Mitarbeiter betroffen. Der Gründer des Unternehmens, Ex-Rennfahrer Niki Lauda, kündigte an, die Firma kaufen zu wollen. Auch die Thomas-Cook-Tochter Condor prüft erneut die Übernahme.
Die von Entlassung bedrohten Beschäftigten bei Siemens oder General Electric bekommen derzeit von Politikern aller Parteien viel Zuspruch. Diese sagen aber auch: Mehr als an die Verantwortung der Unternehmen zu appellieren, kann die Politik nicht machen. Nun fordert die LINKE, Massenentlassungen bei profitablen Unternehmen zu verbieten. Wecken Sie da nicht falsche Hoffnungen?
Zunächst fehlt es in der Tat an rechtlichen Grundlagen. Dahinter darf sich die Bundesregierung aber nicht verstecken und es bei Appellen an die Konzernspitzen zu belassen, wie dies Wirtschaftsministern Zypries im Fall Siemens getan hat. Die Politik muss stattdessen endlich für die entsprechenden rechtlichen Grundlagen sorgen. Die Unternehmensführung darf nicht einseitig solche weitreichenden Entscheidungen treffen können.
Die Idee klingt gut. Aber ist doch unter kapitalistischen Verhältnissen nicht denkbar.
Warum nicht? Es hängt nur davon ab, ob es politische Mehrheiten dafür gibt. Und dafür kämpfen wir. Sie wollen die heilige Kuh unternehmerische Freiheit ankratzen. Die ist verfassungsrechtlich aber in vielerlei Hinsicht geschützt.
Wir sind fest davon überzeugt, dass das mit Artikel 14 Grundgesetz vereinbar ist. Denn damit wird ja nicht nur das Eigentum geschützt, sondern auch gesagt, dass Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Bei der Montanmitbestimmung zum Beispiel haben Arbeitnehmer ja schon sehr weitgehende Rechte. Selbstverständlich werden die Konzernvertreter und ihre Lobbyisten versuchen, das anders darzustellen. Aber so funktioniert nun einmal die politische Auseinandersetzung.
Was schlagen Sie konkret vor?
Wir wollen die Rechte der Beschäftigten stärken. Bisher haben sie bei der grundsätzlichen Entscheidung, ob Unternehmensteile verlagert oder ganze Betriebe geschlossen werden, kaum Einfluss. Dafür sehen wir drei Stellschrauben vor: Erstens wollen wir das Kündigungsschutzgesetz verschärfen. Zum zweiten das Be- triebsverfassungsgesetz. Der Betriebsrat muss ein hartes Mitbestimmungsrecht bei Massenentlassungen erhalten. Er kann so ein Veto einlegen. Kommt es zu keiner Lösung, muss ein Schlichter im Rahmen des üblichen Einigungsstellenverfahrens entscheiden. Die dritte Stellschraube ist das Aktiengesetz. In großen Konzernen sollen grundsätzliche Entscheidungen wie Betriebsverlagerungen nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gefällt werden können. Wann werden Kündigungen zu einer Massenentlassung?
Das ergibt sich aus dem Kündigungsschutzgesetz. Ob es sich um eine Massenentlassung handelt, hängt demnach von der Anzahl der zur Entlassung vorgesehenen Beschäftigten in Relation zur Größe des Unternehmens ab. Bei einem Betrieb mit mindestens 500 Beschäftigten zum Beispiel würde man davon sprechen, wenn das Management 30 oder mehr Menschen auf einen Schlag kündigen wollte. Solch fundamentale Einschnitte wären in Firmen, die Gewinne machen, nach Ihren Vorstellungen also nicht mehr möglich, denn Betriebsräte würden sich wohl immer gegen Entlassungen aussprechen.
Klar, wo ein Unternehmen eine gute Auftragslage hat, wo es Profite erwirtschaftet und trotzdem in Größenordnungen Menschen entlassen will, hätten die Betriebsräte und die Gewerkschaften die Möglichkeit, dem einen Riegel vorzuschieben. Aber dort, wo Umstrukturierungen anstehen, weil sich beispielsweise tatsächlich das gesamte Umfeld verändert hat, kann man sicher sein, dass auch künftig die Betriebsräte und die Gewerkschaften gemeinsam mit dem Management überlegen, wie sie das Unternehmen zukunftsfähig aufstellen. Kein Unternehmer muss Angst haben, dass er aufgrund der Entscheidung der Betriebsräte oder der Gewerkschaften plötzlich in der Insolvenz landet.
Wer entscheidet, ob es dem Unternehmen wirtschaftlich so gut geht, dass es nicht kündigen darf? Das bleibt recht vage in Ihrem Entwurf. Die Überprüfung wird zunächst innerhalb des Unternehmens stattfinden. Die Unternehmensführung muss ja darlegen, warum aus seiner Sicht Entlassungen gerechtfertigt sind. Der Betriebsrat wird aber durch unseren Vorschlag so gestärkt, dass der Arbeitgeber gezwungen ist, gemeinsam mit dem Betriebsrat eine gemeinsame, tragfähige Lösung im Interesse des Betriebs und seiner Beschäftigten zu finden. Letztendlich werden sich aber auch Arbeitsgerichte mit dem einen oder anderen Fall beschäftigen müssen. Im Übrigen nichts Ungewöhnliches im Arbeitsrecht.
Die SPD zeigte sich bei der ersten Lesung im Bundestag in dieser Woche recht offen für Ihren Vorschlag. Hat Sie das überrascht?
Es gab interessanterweise zumindest keinen offenen Widerspruch. Sie sagen, sie wollen das jetzt im Detail prüfen. Offensichtlich ist der Druck aus den Gewerkschaften relativ hoch. Deswegen hat sich die SPD unserem Vorschlag wohl nicht völlig verschließen wollen. Ich bin gespannt, wie es ausgeht.