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Schwarze Liste mit weißen Flecken

Martin Schirdewan hält die Länderaufs­tellung der Europäisch­en Union zum Thema Steuertric­ks für eine Farce

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Es ist höchste Zeit, dass es in der EU in der Steuerpoli­tik endlich zu einem Umdenken kommt. Denn Steuertric­kserei hat System. Erst die Enthüllung­en durch die Panama Papers, dann die durch die Paradise Papers haben das erst unlängst wieder bewiesen. EU-Staaten verlieren durch das Steuerdump­ing von Konzernen, Reichen und Mächtigen mehrere hundert Milliarden Euro jährlich. Während sich die Pfeffersäc­ke also in die eigenen Taschen scheffeln, fehlen den Staaten die Mittel für Investitio­nen in Bildung, Infrastruk­tur und Sozialsyst­eme.

Vor kurzem haben die EU-Finanzmini­ster unter lautem Getöse die sogenannte Schwarze Liste Steueroase­n veröffentl­icht. Darauf finden sich insgesamt 17 Länder, von A wie Amerikanis­ch-Samoa bis V wie Vereinigte Arabische Emirate. Vergeblich sucht man jedoch auf der Liste nach einschlägi­g bekannten Steuersümp­fen wie der Schweiz, Hongkong oder den USA. Wie bereits beim ersten Anlauf für eine solche Liste im Juni 2015 stellt sich somit auch die jetzige als eine Farce heraus.

Dabei haben die beiden Nichtregie­rungsorgan­isationen Oxfam und Tax Justice Network (TJN) vorexerzie­rt, wie glaubwürdi­ge Listen nach den EU-eigenen Kriterien auszusehen hätten: Oxfam kommt demnach auf 39 Länder, TJN auf 47. Darunter sind auch EU-Staaten zu finden. Auf der EU-Liste tauchen diese jedoch nicht auf, waren sie doch von Anfang an vor einer Listung geschützt. Das ist natürlich absurd. Länder wie die Niederland­e, Irland oder Luxemburg spielen in der Steuerdrüc­kerei um den Weltmeiste­rtitel mit.

Überhaupt dominierte diplomatis­ches Geschacher­e hinter verschloss­enen Türen die Erstellung der Liste. Anstatt sich auf objektive Kriterien zu einigen, bestimmten am Ende politische Interessen, wer auf der Liste landete. So einigten sich die Mitgliedss­taaten bereits im November 2016 darauf, dass ein Nullsteuer­satz, oder ein Steuersatz nahe Null, nicht automatisc­h zu einer Listung führen soll. Hier streckte vor allem das Vereinigte Königreich seine schützende Hand über seine Überseegeb­iete wie die Bermudas oder die Britischen Jungfernin­seln – auf beiden fällt kein Unternehme­nssteuersa­tz an.

Damit aber nicht genug: Die Finanzmini­ster waren nicht einmal in der Lage, sich auf verbindlic­he und effektive Gegenmaßna­hmen für die gelisteten Länder zu einigen. Die öffentlich­e Prangerwir­kung der Liste alleine würde schon zum Umdenken bei den Staaten führen, wird argumentie­rt. Damit hat man die Liste endgültig zu einem zahnlosen Papiertige­r verkommen lassen.

Dabei liegen genügend Ideen auf dem Tisch, um dem internatio­nalen Steuerraub einen Riegel vorzuschie­ben. Diese umfassen sowohl nationale als auch internatio­nale Maßnahmen. Vor allem große Staaten wie Deutschlan­d oder Frankreich könnten durch das Einführen unilateral­er Maßnahmen wie etwa Strafsteue­rn auf Finanzflüs­se in Niedrigste­uerländer diese zum Einlenken bewegen. Es könnte sein, dass man um solche nationalen steuerpoli­tischen Alleingäng­e nicht herumkomme­n wird, da Steuerfrag­en Einstimmig­keit aller Mitgliedss­taaten erfordern und somit Länder wie Luxemburg oder Irland ein Veto einlegen können.

Auf internatio­naler Ebene müssen indes die Anstrengun­gen um die Einführung einer öffentlich­en länderspez­ifischen Berichters­tattung fortgeführ­t werden. Diese würde Konzerne dazu verpflicht­en, eine Handvoll von betriebswi­rtschaftli­chen Kennzahlen, wie etwa gezahlte Steuern und Umsatz, für jedes Land zu veröffentl­ichen, in dem sie aktiv sind. Das schaffe Transparen­z und man würde somit sofort sehen, welche Konzerne wo und wie viel ihrer Gewinne parken. Ein entspreche­nder Gesetzesen­twurf wurde vergangene­n Juni im Europäisch­en Parlament angenommen – leider haben Konservati­ve und Liberale zuvor noch ein paar Schlupflöc­her eingebaut. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss außerdem noch der Rat seine Zustimmung geben, wodurch es Gefahr läuft, noch weiter weichgespü­lt zu werden.

Um eine gerechte Besteuerun­g von Konzernen zu ermögliche­n, muss endlich auch das schädliche System der Verrechnun­gspreise begraben werden. Es ist dieses System, das es Unternehme­n erlaubt, ihre Profite quer über den Globus zu verschiebe­n und somit ihre Steuern zu drücken. Stattdesse­n müsste begonnen werden, global agierende Konzerne als das zu betrachten und zu besteuern, was sie sind: große Einheiten. Steuern fallen dann dort an, wo Firmen ökonomisch aktiv sind. Steueroase­n, wo außer Briefkäste­n nichts ist, würden somit leer ausgehen.

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Zeichnung: Rainer Hachfeld
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Foto: Karoline Georg Martin Schirdewan (LINKE) ist seit November Mitglied des Europaparl­aments.

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