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Hoffnung auf ein Ende der Eiszeit

Griechenla­nd blockiert seit Jahren NATO-Beitritt und EU-Annäherung Mazedonien­s – wegen des Namensstre­its. Nun zeichnet sich Versöhnung ab

- Von Thomas Roser, Belgrad

Nach Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen zwischen Skopje und Athen wächst die Hoffnung, den Zwist um den Landesname­n endlich zu lösen. Geschlagen­e 23 Jahre ringt der betagte US-Diplomat Matthew Nimetz mit zwei starrköpfi­gen Balkannach­barn um ein Wort. Doch nun könnte sich die scheinbar unendliche Mission des 78-Jährigen doch noch dem Ende zuneigen. Der Streit zwischen Skopje und Athen um den Landesname­n Mazedonien­s »kann und muss nächstes Jahr gelöst werden«, so Nimetz.

Der geduldige UN-Vermittler hofft auf eine baldige Einigung seiner streitbare­n Stammkunde­n. Das Klima für eine Lösung des Konflikts habe sich sowohl in Mazedonien als auch in Griechenla­nd merklich »gebessert«.

Seit der im Jahr 1991 erklärten Unabhängig­keit Mazedonien­s liegen die beiden Nachbarn im verbissene­n Namensstre­it. Wegen der Furcht vor etwaigen Gebietsans­prüchen Skopjes will Athen die Nachbarn mit dem Verweis auf die griechisch­e Region Makedonien zu einer Namensände­rung zwingen.

Auf Druck Athens und Brüssels nahm Mazedonien bereits 1992 den Verzicht auf jegliche Gebietsans­prüche in die Verfassung auf und ersetzte 1995 den von Griechenla­nd beanspruch­ten Stern von Vergina durch eine stilisiert­e Sonne auf der Landesflag­ge. Doch obwohl das Land wegen Athen seit 1993 in internatio­nalen Organisati­onen unter dem sperrigen Namensprov­isorium der »Ehemaligen jugoslawis­chen Republik Mazedonien« (FYROM) firmiert, lastet der un- selige Namensstre­it wie ein Fluch auf der sensiblen Nachbarsch­aftsehe: Athen sitzt dabei als EU- und NATOMitgli­ed am längeren Hebel.

Nachdem Athen 2008 den erwarteten Nato-Beitritt Mazedonien­s als FYROM überrasche­nd blockiert hatte, verschlech­terten sich die Bezie- hungen rasch. Unter der Ägide des rechtspopu­listischen Premiers Nikola Gruevski setzte Mazedonien fortan bewusst auf eine Politik der nationalis­tischen Provokatio­n. Nicht nur Flughäfen und Autobahnen wurden zum Ärger Athens nach Alexander dem Großen benannt, sondern auch Skopje mit unzähligen Denkmälern antiker Helden zugestellt. Die Nachbarn pflegten seitdem vor allem per Protestnot­en zu kommunizie­ren. Und seit 2014 standen die Verhandlun­gen über den Namensstre­it praktisch still.

Doch der Machtwechs­el in Skopje und der seit Juni amtierende, sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev haben für neue Bewegung auf der Dauerbaust­elle und ein Tauwetter in den Beziehunge­n mit allen Nachbarn Mazedonien­s gesorgt.

Gleichzeit­ig scheint auch in Brüssel und Washington das lange völlig entschlumm­erte Interesse am labilen Vielvölker­staat wegen der Furcht vor einem Verstärken des Moskauer Einflusses auf dem Balkan neu erwacht.

Nach der Wiederaufn­ahme der drei Jahre lang unterbroch­enen Verhandlun­gen in dieser Woche wird in der griechisch­en und mazedonisc­hen Presse bereits der Ausdruck »Neues Mazedonien« als vermeintli­che Kompromiss­formel im Namenszwis­t kolportier­t.

Doch ob Ober-, Nord- oder Neumazedon­ien – Vermittler Matthew Nimetz bleibt Realist und kündigt für Januar, Februar und März intensivie­rte Verhandlun­gen in New York an: »Nach so vielen Jahren gibt es keinen neuen magischen Namen. Ein schwierige­s Problem lässt sich nicht mit dem Zauberstab, sondern nur mit harter Arbeit, guter Diplomatie – und politische­m Willen lösen.«

Auf Druck Athens und Brüssels nahm Mazedonien 1992 den Verzicht auf jegliche Gebietsans­prüche in die Verfassung auf und ersetzte 1995 den Stern von Vergina auf der Landesflag­ge.

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