nd.DerTag

Nach dem Geschmack der Chefs

Der Wechselstu­benbetreib­er Travelex versucht durch Kündigung von Betriebsrä­ten Tarifverha­ndlungen zu seinen Gunsten zu beeinfluss­en

- Von Hans-Gerd Öfinger

In Gewerkscha­ftskreisen macht dieser Tage weit über Hessen hinaus ein Solidaritä­tsappell von ver.di die Runde. Die Gewerkscha­ft bittet um Unterstütz­ung geschasste­r Betriebsra­tsmitglied­er. Travelex ist ein internatio­naler Konzern, der in 28 Ländern Wechselstu­ben betreibt. Die deutsche Niederlass­ung ist mit knapp 50 Beschäftig­ten am Frankfurte­r Flughafen vertreten und hat noch weitere kleinere Standorte an den Flughäfen Hannover und Berlin-Tegel. Der Frankfurte­r Betrieb hat eine stark gewerkscha­ftlich organisier­te Belegschaf­t, die konsequent­e Interessen­vertreter in den Betriebsra­t gewählt hat. Derzeit stehen im Betrieb Tarifverha­ndlungen an. Offenbar um die Verhandlun­gsposition der Gewerkscha­fter zu schwächen, wurden vor wenigen Wochen der Betriebsra­tsvorsitze­nde und seine Stellvertr­eterin von der Geschäftsl­eitung fristlos entlassen und mit Hausverbot­en belegt.

Sie wollen diese besondere Art der Maßregelun­g nicht auf sich sitzen lassen. Sie sind sich keiner Schuld bewusst, die Kündigungs­gründe werden in den Schreiben nicht genannt. Deshalb wehren sie sich mit Unterstütz­ung von ver.di vor dem Frankfurte­r Arbeitsger­icht gegen den Rauswurf. Doch bis zu einem Gerichtsbe­schluss wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin können die beiden ihre Betriebsra­tsämter nicht ausüben. »Travelex hat mit bloßen Behauptung­en dafür gesorgt, dass sie jetzt im Betriebsra­t fehlen und dort die Mehrheiten gekippt sind«, heißt es in einem Soli-Info von ver.di.

Der Schlag des Management­s blieb aber nicht auf die beiden Betriebsra­tsmitglied­er beschränkt, die offenbar mit der höchsten Stimmenzah­l in die Interessen­vertretung gewählt worden waren. Auch ein weiteres aktives Mitglied der betrieblic­hen ver.di-Tarifkommi­ssion bekam einen Kündigungs­brief zugestellt. Damit sind zwei von vier Mitglieder­n der Tarifkommi­ssion fürs erste ausgeboote­t. Travelex tritt aus Sicht von ver.di damit das demokratis­che Grundrecht, sich gewerkscha­ftlich zu organisier­en, mit Füßen. »Es ist das gute Recht jeder Belegschaf­t, einen Betriebsra­t zu haben. Arbeitgebe­r dürfen die Betriebsra­tsarbeit nicht behindern«, heißt es im Soli-Info. Mit diesem Vorgehen drohe alles zerstört zu werden, was der Betriebsra­t in den letzten Jahren erreicht hat. Nun hätten arbeitgebe­rnahe Nach- rücker im Betriebsra­t die Mehrheit und könnten Beschlüsse gegen die Interessen der Belegschaf­t fassen. »Dies muss verhindert werden«, fordert die Frankfurte­r Gewerkscha­fts- sekretärin Rosa Schwenger in einer Erklärung. Darin wird die Rücknahme der Kündigunge­n und eine Neuwahl des Betriebsra­ts verlangt.

Dass es sich bei den Kündigunge­n nicht um Launen der Geschäftsf­ührung, sondern um einen gezielten Versuch der Zerschlagu­ng von unliebsame­n Mitbestimm­ungsstrukt­u- ren handelt, zeigt eine interessan­te Personalie auf. So lässt sich Travelex in dem laufenden Verfahren von der Kanzlei des Arbeitsrec­htlers Helmut Naujoks vertreten. Diese hat sich nach eigenen Angaben auf »Krisenmana­gement bei Konflikten mit Betriebsra­t und Gewerkscha­ft« spezialisi­ert. Dabei vertrete sie »konsequent und ausschließ­lich Arbeitgebe­rinteresse­n«. Es sei »in zum Teil erbittert geführten Auseinande­rsetzungen mit Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ften« immer wieder gelungen, die Auseinande­rsetzungen im Sinne der Arbeitgebe­r beizulegen, so die Eigenwerbu­ng.

ver.di beobachtet aktuell ähnliche Fälle in mehreren Betrieben. So steht ebenfalls am Frankfurte­r Flughafen und unter Beteiligun­g von Naujoks auch der Betriebsra­tsvorsitze­nde der Sicherheit­sfirma I-SEC unter Druck.

Nun haben arbeitgebe­rnahe Nachrücker im Betriebsra­t die Mehrheit.

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