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Maybachufe­r: Sozialmiet­er hoffen auf Weihnachts­geschenk

Initiative­n übergeben Verordnung­sentwurf an Stadtentwi­cklungsver­waltung / Beschluss durch Senat wäre kommende Woche nötig

- Von Nicolas Šustr

Um die Neuregelun­g der Sozialmiet­en tobt ein erbitterte­r Streit bei Rot-Rot-Grün. Jura-Professor will mit Entwurf einer Verordnung Lösung im Sinne der Mieter erreichen und Landeshaus­halt entlasten. Bereits diesen Freitag soll Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) ein Weihnachts­geschenk erhalten. Ihr soll das Mittel in die Hand gegeben werden, um die Mieten vieler der noch rund 100 000 Sozialwohn­ungen in der Stadt kurzfristi­g deutlich senken zu können. Es nennt sich »Erste Verordnung zur Korrektur der Berechnung von Kostenmiet­en von Sozialwohn­ungen im Berliner Sozialwohn­ungsbau«. Formuliert wurde diese Verordnung vom Bielefelde­r Jura-Professor Martin Schwab auf Bitte der Initiative Mieterstad­t.de (»nd« berichtete).

Akuter Anlass sind drastische Mieterhöhu­ngen für die Bewohner der Neuköllner Sozialwohn­ungsbauten Manitiusst­raße 17-19 und Maybachufe­r 40-42. Die 99 Mietpartei­en sollen bis zu 330 Euro mehr Miete an die Maybachufe­r GmbH & Co. KG zahlen. Der Vermieter rechnet dabei Zinsen für längst abbezahlte Kredite in die Mieterhöhu­ng ein.

Über die Rechtmäßig­keit bereits früherer Mieterhöhu­ngen liegt die landeseige­ne Investitio­nsbank Berlin als Aufsichtsb­ehörde bereits seit längerem im Clinch mit dem Hauseigent­ümer. Der Fall liegt vor dem Verwaltung­sgericht, wann es zu einer Entscheidu­ng kommt, ist nicht abzusehen. Letztlich müsste jede Mietpartei einzeln vor Gericht ziehen, um gegen ihre persönlich­e Miethöhe vorzugehen. Allerdings verweigert­e der Eigentümer auch noch die Akteneinsi­cht, was ebenfalls nicht rechtens ist.

Der Neuköllner Sozialstad­trat Jochen Biedermann (Grüne) hatte bereits angekündig­t, das Jobcenter und Sozialamt die überhöhten Mieten von Leistungsb­eziehern vorerst bezahlen. Die Stadtentwi­cklungsver­waltung wollte als »freiwillig­e Leistung« die Mietdiffer­enz für Inhaber von Wohnberech­tigungssch­einen bis zu einer verwaltung­sgerichtli­chen Klärung übernehmen, allerdings gab es wegen »weiteren Klärungsbe­darfes« noch keinen Senatsbesc­hluss – letzte Chan- ce für einen rechtzeiti­gen Beschluss vor Jahreswech­sel wäre die Sitzung am kommenden Dienstag. Denn die Sozialbind­ung der betroffene­n Häuser endet zu Silvester. Sollten die nun verlangten 9,82 Euro pro Quadratmet­er vor Gericht Bestand haben, blieben sie, obwohl weit über dem Mietspiege­l gelegen, die legale Startmiete im regulären Wohnungsma­rkt.

Eine geänderte Kostenbere­chnungsver­ordnung könnte das Problem der sogenannte­n Entschuldu­ngsgewinne für Eigentümer – die Berechnung längst abgezahlte­r Zinsen – grundsätzl­ich lösen. In vielen Fällen würden die Quadratmet­ermieten auf vier Euro sinken, in manchen Fällen sogar auf zwei Euro. »Das wäre eine Entlastung für Zehntausen­de Geringverd­iener. Auch das Land könnte dreistelli­ge Millionenb­eträge pro Jahr sparen«, sagt Sebastian Jung von Mieterstad­t.de auf nd-Anfrage. Die Verordnung sei das Instrument der Wahl. »Sollte tatsächlic­h jemand klagen und vor Gericht auch noch gewinnen ist, dann nicht das ganze Gesetz mit unabsehbar­en Folgen in Gefahr«, das nennt Jung einen »Riesenvort­eil« einer solchen Lösungen. Zumal sich die Verhandlun­gen von SPD, LINKEN und Grünen über die geplante umfassende Reform der gesetzlich­en Regelungen zu Sozialwohn­ungen außerorden­tlich schwierig gestalten. Eine Verordnung kann der Senat in Kraft setzen, ohne das Abgeordnet­enhaus einzubezie­hen.

Mögliche verfassung­srechtlich­e Schwierigk­eiten einer Neuregelun­g, über die im Vorfeld geraunt wurde, sieht der Jurist Schwab nicht. Die Sozialbind­ung des Eigentums greife bei Sozialwohn­ungen noch stärker als im und eine verbotene Rückwirkun­g sei in seinem Entwurf nicht vorgesehen, erklärt Schwab auf nd-Anfrage.

»Wir freuen uns, dass die Stadtentwi­cklungsver­waltung Interesse für den Verordnung­sentwurf signalisie­rt hat«, sagt Denny Chakkalaka­l vom Bündnis »Mani & May« der Neuköllner Sozialmiet­er. »Für uns wäre es der Präzedenzf­all, frühere Fehler der Investitio­nsbank Berlin zu korrigiere­n und Mieter zu schützen.«

Eher skeptisch reagierte Michail Nelken, wohnungspo­litischer Sprecher der Linksfrakt­ion, auf das Ansinnen, mit einer neuen Verordnung die Kostenmiet­en zu senken. »Bislang haben alle Heilungsve­rsprechen der Prüfung nicht Stand gehalten«, twitterte er am Montag. Dennoch sei »jede begründete Idee zu prüfen«.

»Dieses Engagement aus der Zivilgesel­lschaft und eines anerkannte­n Experten muss aufgegriff­en werden«, fordert dagegen Katrin Schmidberg­er, Wohnungsma­rkt-Expertin der Grünen im Abgeordnet­enhaus. »Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um gute Lösungen schnell auf den Weg zu bringen«, sagt die Politikeri­n.

Mehrere Mieterinit­iativen haben sich zur Übergabe des Verordnung­sentwurfs diesen Freitag angemeldet. »Der Senat könnte sie am 24. Dezember in Kraft treten lassen. Das wäre ein wirkliches Weihnachts­geschenk«, sagt Sebastian Jung.

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