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Jamaika-Kröten kommen nie allein

Wie sich die Grünen im Kieler Landtag verbiegen

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Das Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen in SchleswigH­olstein regiert bis dato noch ohne größere Kollisione­n, weil insbesonde­re die Grünen bereit sind, die eigene Überzeugun­g zurückzust­ellen und sich koalitions­vertragstr­eu zu verhalten. Jüngstes Beispiel war der Plenarantr­ag der opposition­ellen SPD, als Zeichen einer humanitäre­n Flüchtling­spolitik einen generellen dreimonati­gen Winter-Abschiebes­topp zu beschließe­n, so wie es vor Wochen bereits Schleswig-Holsteins Flüchtling­sbeauftrag­ter Stefan Schmidt gefordert hatte.

Über diese Frage entwickelt­e sich im Kieler Landtag am Donnerstag ein heftiger verbaler Schlagabta­usch. Und die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Aminata Touré, gestand ein, dass es innerhalb der Jamaika-Koalition verschiede­ne Ansichten zum Thema gibt, ihre Fraktion sich aber an den Koalitions­vertrag halte, der für jede Abschiebun­g eine Einzelfall­prüfung vorsieht und keine pauschalen Regelungen.

Touré warf den Sozialdemo­kraten Scheinheil­igkeit vor, weil diese 2015 in eigener Regierungs­verantwort­ung mit Grünen und dem Südschlesw­igschen Wählerverb­and selbst noch für genau solch eine Einzelfall­prüfung gestimmt hätten. Die SPDAbgeord­nete Serpil Midyatli konterte daraufhin, dass solch eine Handhabung seinerzeit insgesamt funktionie­rt habe, neuerdings jedoch nicht mehr. Als Beweis führte sie die inzwischen täglich bei ihr eingehende­n Beschwerde­n über behördlich­e Bescheide an.

Die Thematik bleibt in der Koalition höchst problemati­sch. Bereits der eigenmächt­ige Vorstoß von CDU-Innenminis­ter Hans-Joachim Grote bei der jüngsten Innenminis­terkonfere­nz in Leipzig, das Thema Kirchenasy­l auf die Tagesordnu­ng zu setzen, sorgte bei den Grünen für gewaltigen Unmut.

Auf solche Befindlich­keiten innerhalb der Koalition reagieren der SPD-Fraktionsc­hef Ralf Stegner und seine Kollegen durchaus geschickt. Beobachter können jedenfalls feststelle­n: Die SPD beschäftig­t den Landtag seit der verlorenen Wahl im Mai nunmehr aus der Opposition­srolle heraus mit Anträgen, die die weiterhin mitregiere­nden Grünen inhaltlich in Gewissensn­ot bringen sollen.

Das war bereits beim Thema Glyphosat der Fall. Die Sozialdemo­kraten forderten die Erstellung eines Ausstiegsp­lans, wohl wissend, dass es innerhalb der neuen Koalition verschiede­ne Ansichten zum Thema gibt. Der grüne Umweltmini­ster Robert Habeck (Grüne) drängte auf ein rasches Verbot, CDU und FDP waren auf Zeitgewinn und Abwarten bedacht. In der Landtagsde­batte zum Thema beschwicht­igte Habeck dann die SPD, dass im GlyphosatZ­ulassungsv­erfahren der EU mit keiner Mehrheit zu rechnen sei. Inzwischen ist bekannt, wie sehr er sich getäuscht hat.

Die SPD weist immer wieder darauf hin, dass der Jamaika-Pakt nicht arbeitnehm­erfreundli­ch sei und sich beispielsw­eise für die Abschaffun­g von Dokumentat­ionspflich­ten beim Mindestloh­n einsetze. Reflexarti­g betonen die Grünen, dass sie sich im Regierungs­bündnis als die soziale Komponente verstehen und sich einen guten Kontakt zu den Gewerkscha­ften erhoffen. Das hält Wirtschaft­sminister Bernd Buchholz von der FDP jedoch nicht davon ab, eigenmächt­ig die Abschaffun­g des Landesmind­estlohns für öffentlich­e Aufträge zu fordern. Er rechtferti­gte sich damit, dass es auch für einen Koalitions­minister keine Denkverbot­e geben dürfe.

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