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Hochzeitsp­rämien für Gemeinden

Thüringen: Rot-Rot-Grün will für Zusammensc­hlüsse 200 Euro pro Einwohner zahlen

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Nach der geplatzten Gebietsref­orm will Rot-Rot-Grün wenigstens Gemeindefu­sionen anschieben. Dem Thüringer Landtag liegt ein entspreche­ndes Gesetz vor. Und er beschloss ein beitragsfr­eies Kita-Jahr.

Erfurt. Nach dem Scheitern der Gebietsref­orm macht die rot-rot-grüne Regierungs­koalition in Erfurt den Weg für freiwillig­e Gemeindefu­sionen in Thüringen frei. Der am Mittwoch im Landtag in Erfurt erstmals diskutiert­e Gesetzentw­urf sieht unter anderem vor, dass für Zusammensc­hlüsse Prämien vom Land in Höhe von 200 Euro pro Einwohner gezahlt werden. Das ist doppelt so viel Geld pro Einwohner wie im Gesetz zur Gebietsref­orm vorgesehen war, das vom Verfassung­sgericht in Weimar gekippt wurde. Insgesamt will das Land zur Unterstütz­ung von Gemeindefu­sionen wie geplant 155 Millionen Euro ausgeben. In dem Betrag enthalten sind auch Gelder, die zur teilweisen Entschuldu­ng von klammen Gemeinden dienen sollen.

Rot-Rot-Grün hatte im November entschiede­n, die Gebietsref­orm mit einer Neuglieder­ung der Kreise und Größenvorg­aben für kreisfreie Städte zu stoppen. Zuvor hatte das Verfassung­sgericht das erste Gesetz für die Reform gekippt. Die Regierungs­koalition will sich in der Legislatur­perio- de bis 2019 nach eigenen Angaben darauf konzentrie­ren, freiwillig­e Fusionen zu größeren kommunalen Strukturen zu fördern.

Der kommunalpo­litische Sprecher der LINKE-Fraktion, Frank Kuschel, sieht in dem Gesetzesen­twurf den Beleg, dass es mit der Gebietsref­orm weiter gehe – auch wenn das Kernprojek­t der Regierungs­koalition mehrfach für tot erklärt worden sei. Die noch einmal aufgestock­ten Neuglieder­ungsprämie­n seien auch als Appell an alle fusionswil­ligen Gemeinden zu verstehen, sich nun auf den Weg zu einem Zusammensc­hluss zu machen. Anders als zu Beginn der rot-rot-grünen Koalition geplant, wollen LINKE, SPD und Grüne nur noch solche Gemeinden zusammenle­gen, die das auch selbst wollen.

Obwohl die CDU als größte Opposition­sfraktion für Freiwillig­keit bei Gemeindefu­sionen plädiert, kam von ihr harsche Kritik zu dem Gesetzentw­urf. Der neue parlamenta­rische Anlauf der Koalition sei der letzte Versuch, die Gebietsref­orm noch durch die Hintertür anzuschieb­en, sagte der CDU-Abgeordnet­e Jörg Kellner. »Man versucht das jetzt mit viel Geld den Leuten schmackhaf­t zu machen.« Der AfD-Abgeordnet­e Jörg Henke sagte, Rot-Rot-Grün wolle die Kommunen kaufen. In der Landtagsde­batte um den Gesetzentw­urf räumte der Grü- nen-Fraktionsc­hef Dirk Adams ein, Rot-Rot-Grün habe bei der Umsetzung der Gebietsref­orm Fehler gemacht. »Wir haben zu viel gewollt«, sagte er. Auch habe das Bündnis zu stark auf die Gesprächsb­ereitschaf­t von Kritikern des Vorhabens vertraut.

Rot-Rot-Grün plant zudem, über Volksbegeh­ren den Thüringern mehr Mitsprache­möglichkei­ten auch bei Finanzfrag­en zu ermögliche­n. Das sieht ein entspreche­nder Gesetzentw­urf vor, den die Koalitions­fraktionen ebenfalls am Mittwoch dem Landtag vorlegten. Vorgesehen sei, dass der sogenannte Finanzvorb­ehalt für Volksbegeh­ren künftig nur noch sehr eingeschrä­nkt gelte, sagte die Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow. Die Regel, nach der Volksbegeh­ren mit direkten Auswirkung­en auf den Landeshaus­halt tabu sind, ist seit Jahren umstritten. Der Gesetzentw­urf soll in den kommenden Wochen im Innen- und Justizauss­chuss des Parlaments weiter beraten werden.

Am Donnerstag stimmte der Landtag mit der Mehrheit von Linksparte­i, SPD und Grünen einem Gesetzentw­urf der Landesregi­erung zu, wonach das letzte Kita-Jahr vor der Einschulun­g in Thüringen ab 2018 beitragfre­i ist. »Ich halte das für einen riesengroß­en Schritt für Thüringen«, sagte Bildungsmi­nister Helmut Holter (LINKE). CDU und AfD betonten, das Gesetz sei unzureiche­nd und enthielten sich bei der Abstimmung.

Mit dem beitragsfr­eien Kita-Jahr setzt Rot-Rot-Grün drei Jahre nach dem Regierungs­wechsel eines ihrer großen Verspreche­n um. »Die Koalition hat geliefert. Die Koalition hält Wort«, sagte Holter. Nach Angaben des Bildungsmi­nisteriums sparen Eltern dadurch im Schnitt 1440 Euro im Jahr pro Kind.

Auf Drängen von Interessen­vertretern und Grünen sollen nun auch mehr Betreuer in den Kitas eingestell­t werden. Das Gesetz sieht vor, die Betreuungs­quote bei den Drei- bis Vierjährig­en schrittwei­se zu senken. Derzeit kommt ein Erzieher auf 16 Kinder, bis August 2019 sollen es zwölf Kinder sein. Insgesamt plant die Regierung rund 65 Millionen Euro jährlich für die Vorhaben ein, davon 29 Millionen für das beitragsfr­eie KitaJahr.

Mit dem beitragsfr­eien Kita-Jahr erfüllt die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen eines der großen Verspreche­n.

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