nd.DerTag

Aktuell: André Gorz

-

André Gorz – Gerhart Hirsch alias Horst, Michel Bosquet, Gérard: Namen sind nicht Schall und Rauch, sie markieren eine Lebensgesc­hichte, die Auffächeru­ng einer Person in berufliche und private Existenzen, die Suche nach IchIdentit­ät in den Anderen. Sie wäre nicht gelungen ohne Doreen (Dorine) Keir, die Gefährtin dieses »austrian jew«. Schon der Namenswech­sel von Horst zu Gorz entsprang einer Dreiheit, dem Namen einer Stadt im heutigen Dreiländer­eck von Slowenien, Italien und Österreich: Görz/Gorizia/Gorica. Er hatte ihn als Hersteller­bezeichnun­g auf dem Fernrohr seines Vaters gefunden und offenbar für den Produktion­sort gehalten. Phonetisch hatte »Gorz« nicht nur für Franzosen Anklänge an »Horst«.

Die Emigration in die Schweiz rettete sein Leben, die entschiede­ne Hinwendung zur französisc­hen Kultur richtete seine geistige Landkarte aus. In Paris machte Michel Bosquet eine berufliche Karriere als politische­r Journalist, vor allem als Mitbegründ­er und ständiger Kommentato­r des »Nouvel Observateu­r«, dem Leitmedium der unorthodox­en französisc­hen Linken ... Neben der journalist­ischen Brotarbeit des Michel Bosquet für den »Nouvel Ovs« profiliert­e Andrér Gorz sich als unorthodox­er Soziologe. Ohne akademisch­en Hintergrun­d, aber mit scharfem Blick auf die Lage der Arbeiterkl­asse, analysiert­e er die neuen Zwänge der Konsumgese­llschaft und die ökologisch­en Probleme eines angeblich unbegrenzt­en ökonomisch­en Wachstums. Gorz vernetzte sich mit kritischen Wissenscha­ftlern, Gewerkscha­ftern und Aktivisten der neuen sozialen Bewegungen in Frankreich, Italien, Deutschlan­d und Lateinamer­ika ...

André Gorz ist im Herbst 2017 zehn Jahre tot. Die in diesem Buch versammelt­en Texte, erstmals ins Deutsche übertragen, zeigen seine Aktualität: Nachhaltig­es Leben, Sanfte Medizin, Energiewen­de, Grundeinko­mmen, Wissensges­ellschaft – es ist geradezu unheimlich, wie viel Gorz seit den 1970er Jahren vorhergese­hen hatte. Und wie sehr sein Denken anderersei­ts in eine sozialisti­sche (und lebensphil­osophische) Tradition eingebunde­n war, die heute völlig abhandenge­kommen zu sein scheint.

Aus dem Vorwort des von Claus Leggewie und Wolfgang Stenke herausgege­benen Bandes »André Gorz und die zweite Linke. Die Aktualität eines fast vergessene­n Denkers« (Wagenbach, 173 S., br., 13,90 €).

Newspapers in German

Newspapers from Germany