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Hundertfac­h vertuscht

WADA liefert Verbänden 300 Namen russischer Sportler, deren Doping gedeckt worden sei

- Von Oliver Kern

Eine Labordatei hält Russlands Sportfunkt­ionäre, Athleten und Politiker weiter in Atem. Laut WADA beweist sie eine Betrugsmet­hode, mit der jahrelang positive Dopingprob­en vertuscht wurden. Gerade schien etwas Ruhe in den russischen Dopingskan­dal gekommen zu sein. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hatte Russlands nationalen Ableger (ROC) für die kommenden Winterspie­le zwar gesperrt, sauberen Athleten allerdings die Möglichkei­t gegeben, unter neutraler Flagge an den Start zu gehen. Schnell waren die russischen Boykottdro­hungen verklungen, die Sportler wollten ohnehin immer nach Südkorea, also erlaubte das ROC die Entsendung. Die Präsidente­n Russlands und des IOC, Wladimir Putin und Thomas Bach, zeigten sich zufrieden. Doch die Ruhe währte nicht lange, denn es geht immer noch um viel mehr als ein ausgeklüge­ltes Betrugssys­tem bei den Olympische­n Spielen in Sotschi 2014.

Am Donnerstag war die Welt-Antidoping-Agentur WADA wieder am Zug. Sie hatte bereits zwei Kommission­en forschen lassen, was an den Beschuldig­ungen des Staatsdopi­ngs dran sei. Dabei hatte Sonderermi­ttler Richard McLaren entdeckt, dass vermutlich bereits seit 2011 mindestens 643 positive Dopingprob­en falsch deklariert und später offenbar vernichtet worden waren, um die Spuren zu vernichten.

In nur noch zwölf Fällen konnte McLaren im Sommer 2016 die »Methode der Verschwund­enen Positiven« (DPM) beweisen. Er zeigte aber auf, wie sie funktionie­rte: Das Moskauer Kontrollla­bor analysiert­e eine Probe und fand eine verbotene Substanz. Anstatt dies sofort ins internatio­nale Meldesyste­m ADAMS einzupfleg­en, wurde über einen Mittler die Russische Antidoping-Agentur eingeschal­tet, denn nur die RUSADA konnte die nummeriert­e Probe einem Namen zuordnen. Dieser wurde wiederum ans Sportminis­terium weitergele­itet, und Vizesportm­inister Juri Nagornych entschied, ob der Athlet geschützt werden sollte. In dem Fall wurde das Kontrollla­bor angewiesen ein Negativres­ultat ins ADAMS-System einzutrage­n. So verschwand­en die positiven Fällen. Bei Fußballern entschied übrigens »W.L.« Die Abkürzung tauchte in E-Mails auf, und McLaren vermutete dahinter Witali Leontjewit­sch Mutko, den damaligen Sportminis­ter und heutigen Vizeregier­ungschef. Er ist übrigens immer noch Präsident von Russlands Fußballver­band und organisier­t die WM 2018 in Russland.

Die DPM verlief jedoch offenbar nicht spurlos, denn die WADA gelangte vor einigen Wochen an eine Originalda­tei des Moskauer Labors. Sie wurde auf ihre Echtheit überprüft und wiederherg­estellt, teilte die WADA am Donnerstag mit. Offenbar muss sie beschädigt worden sein – ob absichtlic­h ist nicht klar. Die WADA gab laut Branchendi­enst »Insidetheg­ames« jetzt rund 300 Namen noch aktiver Athleten und die zugehörige­n verbotenen Substanzen an mehr als 25 betroffene Sportverbä­nde weiter. Dazu die unterschie­dlichen Einträge im ADAMS-System und der Labordatei sowie eidesstatt­liche Erklärunge­n, Rechtsguta­chten und eine Menge E-Mails von Mitarbeite­rn der RUSADA, des Ministeriu­ms und des Labors, in denen über die positiven Proben debattiert wird.

»Es liegt nun in den Händen der Verbände, diese Informatio­nen weiterzuve­rfolgen. Wir werden sie dabei unterstütz­en«, sagte WADA-Ermittler Günter Younger. In der Fülle aller Daten sollten die Fälle stark genug sein, um »Athleten wegen eines Dopingvers­toßes zu sanktionie­ren«. Und die WADA schickte gleich noch eine Warnung hinterher: Sie werde den Prozess beobachten und sich das »Recht vorbehalte­n, vor den Sportgeric­htshof CAS zu ziehen«, sollte sie mit einem Verbandsur­teil nicht einverstan­den sein.

Wladimir Putin zeigte sich am Donnerstag auf seiner Jahrespres­sekonferen­z schon gar nicht mehr erfreut. Erneut wiederholt­e er die Verschwöru­ngstheorie, dass alle Anschuldig­ungen ein Komplott der USA wären, das die russischen Präsidents­chaftswahl­en im März beeinfluss­en soll. Belege dafür lieferte er auch diesmal nicht.

Bisher wurden gerade mal 31 Athleten für Olympia gesperrt. Putin rechnet offenbar damit, dass der CAS deren Einsprüche abschmette­rn wird. Denn er kündigte nun schon den nächsten Schritt an: »Wir arbeiten daran, die Interessen unserer Athleten zu verteidige­n – auch vor Zivilgeric­hten.« Das wäre dann zuallerers­t das Schweizer Bundesgeri­cht. Sollten nun aber aus 31 Fällen 300 werden, sollten die Beamten des Justizmini­steriums mal ein paar Wohnungen in Lausanne anmieten.

 ?? Foto: imago/Insidefoto ?? Russlands Schwimmer um Sergei Fesikow jubelten in Kopenhagen am ersten EMTag über dreimal Gold. Manche von ihnen dürften vor der WADA zittern, denn 22 positive Schwimmert­ests wurden vermutlich vertuscht.
Foto: imago/Insidefoto Russlands Schwimmer um Sergei Fesikow jubelten in Kopenhagen am ersten EMTag über dreimal Gold. Manche von ihnen dürften vor der WADA zittern, denn 22 positive Schwimmert­ests wurden vermutlich vertuscht.

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