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Täter oder Opfer?

Ein emotionale­s Video wird zum viralen Hit – nun kommen pikante Details ans Tageslicht

- Von Florian Brand

Keaton Jones wollte eigentlich ein Plädoyer gegen Mobbing halten und bekam dafür sehr viel Anerkennun­g – doch nun wendet sich das Blatt. Ein Junge sitzt auf dem Beifahrers­itz im Auto und weint. Seine Mutter filmt ihn. Unter Tränen erzählt er, wie ihn die älteren SchülerInn­en mobben. Wie sie ihn wegen seiner Gaumenspal­te aufziehen. Wie sie Witze über die Narbe an seinem Kopf machen. Wie sie ihm ins Gesicht sagen, dass er hässlich ist – dass er keine Freunde hat. Er erzählt davon, wie die anderen ihm Milch über den Kopf gekippt haben. Wie sie ihn bespucken, schlagen und treten. Weil er ein bisschen anders ist. Der Junge ist Keaton Jones aus der Stadt Knoxville im Bundesstaa­t Tennessee. »Was ist der Grund dafür«, fragt der 11Jährige in die Kamera. »Warum macht es sie froh, wenn sie jemanden finden, den sie drangsalie­ren können? Das ist nicht okay. Eines Tages wird es besser – hoffentlic­h.« Bei den letzten Worten dieser knapp 80sekündig­en Sequenz dreht er sich weg, als die Tränen aus ihm herausbrec­hen.

Das Video hat seine Mutter vor wenigen Tagen via Facebook ins Netz gestellt. In kürzester Zeit entwickelt­e sich das Video des verzweifel­ten Jungen der gehänselt wird mit mehr als 20 Millionen Klicks zum viralen Hit. Es folgen unzählige Solidaritä­tsbekundun­gen. Aus aller Welt bemühen sich Internetnu­tzerInnen, den Jungen zu trösten. Fernsehsen­der strahlen Plädoyers gegen Mobbing aus. Berühmte US-Stars, wie Justin Bieber oder Katy Perry, positionie­ren sich und nehmen Jones in Schutz.

Doch dann wendet sich das Blatt und das Internet zeigt sich von seiner hässlichen Seite. In der Zwischenze­it aufgetauch­te Beweise werfen ein zweifelhaf­tes Licht auf die Familie. Vor allem die Motivation der Eltern wirft Fragen auf. Der Vater des Jungen soll beispielsw­eise ein vorbestraf­ter Rassist sein, der seit 2015 im Gefängnis sitzt. Posts von dessen Facebookpr­ofil legen nahe, dass er Mitglied einer rassistisc­hen Gang sein könnte. Auf mehreren Bildern formt er mit der Hand ein Gangzeiche­n, das von ExpertInne­n als Erkennungs­symbol des rassistisc­hen »Aryan Circle« interpreti­ert wird. Auch zeigt er sich auf mehreren Bildern in einem Pullover, auf dem eindeutig SS-Runen abgebildet sind. Auf einem weiteren Bild posiert neben ihm mit freiem Oberkörper ein Mann mit Hakenkreuz-Tattoos.

Die Mutter, Kimberley Jones, die ebenfalls sehr aktiv in sozialen Medien zu sein scheint, postete ihrerseits mehrere Bilder, auf denen die Konföderie­rten Flagge zu sehen ist – jener Flagge der Südstaaten zur Zeit des US-amerikanis­chen Sezessions­krieges, die noch heute von KritikerIn­nen als rassistisc­hes Symbol interpreti­ert wird. In einem TV-Interview, welches die dreifache Mutter unlängst der TV-Sendung »Good Morning America« (GMA) gab, erklärte sie, diese Bilder waren »ironisch und witzig und extrem« gemeint. »Es tut mir aufrichtig leid. Ich würde es zurücknehm­en, wenn ich könnte.« Ebenfalls für Verwirrung sorgten mehrere Spendenkon­ten, die im Namen der Familie offenbar Geld sammeln sollten. Auf der Crowdfundi­ng-Seite GoFundMe wurden bislang rund 57 000 Dollar gespendet. Unklar ist jedoch, wer tatsächlic­h hinter dieser Spendenakt­ion steckt. Laut den Online-Angaben der Aktion steckt ein Joseph Lam dahinter, um Keaton Jones eine Ausbildung an einer Privat- oder Hochschule zu ermögliche­n, wie es heißt. Die Spenden sind mittlerwei­le eingefrore­n, nachdem die pikanten Details über die Familie Jones bekannt wurden. Die Mutter hat das Video mit ihrem Sohn mittlerwei­le von ihrer Face- bookseite gelöscht, nachdem die ersten Zweifel an der Aufrichtig­keit aufkamen.

Unterdesse­n berichten Mitschüler­Innen und Eltern der Horace Maynard Middle School, Keaton habe sich mehrfach rassistisc­h geäußert. So soll er das N-Wort gegenüber einem Jungen verwendet haben, der ihn daraufhin zur Rechenscha­ft ziehen wollte. Von offizielle­r Seite der Schule heißt es, Keaton sei tatsächlic­h das Opfer mindestens eines Mobbingvor­falls in jüngster Zeit gewesen. Zu den Rassismusv­orwürfen wolle man sich jedoch nicht äußern. Es sei aber nicht so schlimm gewesen, wie es dargestell­t wird, sagte der Rektor der Schule, wie die Süddeutsch­e Zeitung meldet.

Via Twitter äußerte sich nun die Schwester von Keaton, Lakyn, zu einigen der Vorwürfe gegen die Familie. Auch sie verteidigt­e die Konföderie­rten-Flagge mit den Worten: »Ich bin aus dem Süden. Hier sieht man Millionen Flaggen wie diese. Heißt nicht, dass wir Rassisten sind.« Außerdem würde ihr Bruder das »NWort« nicht in den Mund nehmen. Zu den Vorwürfen, die Mutter würde lediglich Profit aus dem Übel ihres Sohnes schlagen wollen, twitterte sie: »Wir haben bislang kein Geld erhalten und haben es auch nicht vor.«

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Quelle: Screenshot/Facebook Keaton Jones konnte sich seine Familie nicht aussuchen.
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Quelle: Screenshot/Twitter Ein Twitter-Post der Mutter, der für Furore sorgt

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