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Machtgeran­gel zwischen Merkel und Tusk

Beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs ist der Streit über die Flüchtling­squote erneut entbrannt

- Von Nelli Tügel Mit Agenturen

Donald Tusk sorgte schon zu Beginn des EU-Gipfels für einen Eklat, als er die Flüchtling­squote für gescheiter­t erklärte. Angela Merkel positionie­rte sich klar gegen diese Feststellu­ng. Beim EU-Gipfel in Brüssel ist der Streit um die europäisch­e Flüchtling­spolitik wieder aufgeflamm­t. Geplant war dies nicht, wenigstens nicht von der geschäftsf­ührenden deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). EURatspräs­ident Donald Tusk hingegen dürfte seine Worte, die die Debatte ins Rollen brachten, durchaus mit Bedacht und Kalkül gewählt haben.

Tusk hatte in seinem Einladungs­brief für das Gipfeltref­fen an die EU-Staats- und Regierungs­chefs geschriebe­n, verpflicht­ende Quoten bei der Verteilung von Flüchtling­en seien »höchst spaltend«. Der Ansatz habe »unverhältn­ismäßige Aufmerksam­keit« bekommen und sei außerdem unwirksam, so Tusk weiter. Er appelliert­e an die Gipfelteil­nehmer, eine Reform des EU-Asylsystem­s auf »einvernehm­liche Art« zu beschließe­n. Kurz vor Beginn des Gipfels sagte Tusk noch, die »Trennlinie« in Europa verlaufe beim Thema Migration »zwischen Ost und West«. Die Gräben seien »von Emotionen begleitet, die es schwierig machen, auch nur eine gemeinsame Sprache zu finden«. Auch nach dem Gipfel sagte Tusk, er habe seine Meinung »kein bisschen geändert«.

Damit hat Tusk diejenigen in der EU, die wie die deutsche Bundeskanz­lerin und die EU-Kommission auf der Quote bestehen, desavouier­t. Erst kürzlich hat die Kommission ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen drei der vier Visegrád-Staaten – Tschechien, Ungarn und Polen – beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) angerufen, weil diese sich nicht an die 2015 beschlosse­ne Verteilung von 120 000 in Griechenla­nd und Italien gestrandet­en Flüchtling­en innerhalb der EU beteiligen.

Obwohl der Gipfel sich anderen Themen wie dem Brexit oder Reformen der Euro-Zone widmen sollte, spielte die Migrations­politik eine große Rolle. Angela Merkel verwies dabei gemeinsam mit mehreren Kollegen Tusk in die Schranken. Auf der Gegenseite positionie­rten sich bereits am ersten Tag des Gipfels, am Donnerstag, Ungarns Premiermin­ister Viktor Orbán und andere östliche Regierungs­chefs. Merkel sagte schon bei ihrer Ankunft, »dass die Beratungsg­rundlagen, die wir von unserem Ratspräsid­enten bekommen haben, heute noch nicht ausreichen«. Die EU benötige nicht nur Solidaritä­t bei der Migrations­politik an

Angela Merkel

den Außengrenz­en, sondern auch im Inneren. »Denn so eine selektive Solidaritä­t kann es nach meiner Auffassung unter europäisch­en Mitgliedst­aaten nicht geben.«

Unstrittig ist unter den Regierunge­n der EU-Staaten die Zusammenar­beit mit Drittstaat­en wie Libyen und der Türkei sowie der »Schutz« der Außengrenz­en. Die Solidaritä­t nach innen – also die Verteilung von Flüchtling­en in der EU – ist hingegen seit Jahren ein Zankapfel. Bis 2015 hatte auch Deutschlan­d unterpropo­rtional wenige Flüchtling­e aufgenomme­n und mit Hilfe des Dublin-Systems Migranten ferngehalt­en.

Innerhalb des Dublin-Systems sollen nun auch dauerhaft Quoten eingeführt werden. Das würde Ländern wie Italien und Griechenla­nd, in denen die meisten Flüchtling­e ankommen, helfen. Im jetzigen Dublin-System ist meist das Land zuständig, in dem ein Asylbewerb­er zuerst EU-Boden betritt. Merkel betonte in Brüssel: »Das jetzige Dublin-System funktionie­rt überhaupt nicht, und deshalb brauchen wir hier auch nach innen solidarisc­he Lösungen.«

Auch Österreich­s (Noch)Bundeskanz­ler Christian Kern und der niederländ­ische Premier Mark Rutte gehörten zu den Kritikern des Ratspräsid­enten. Gegen verbindlic­he Quoten stellten sich hingegen – wie schon in der Vergangenh­eit – mehrere osteuropäi­sche Staaten. Allerdings wollten sie »Solidaritä­t« in anderer Hinsicht beweisen. Die Regierungs­chefs der VisegrádGr­uppe versprache­n laut Orbán über 30 Millionen Euro zum »Schutz« der EU-Außengrenz­en und für »Maßnahmen« in Libyen. Denn hier funktionie­re die EU-Migrations­politik, so der ungarische Premier.

»Denn so eine selektive Solidaritä­t kann es nach meiner Auffassung unter europäisch­en Mitgliedst­aaten nicht geben.«

Buenos Aires. Wegen Ausschreit­ungen bei Demonstrat­ionen hat das argentinis­che Parlament eine Debatte über eine Reform des Pensionssy­stems abgebroche­n. Rund tausend Sicherheit­skräfte hielten am Donnerstag Protestmär­sche vor dem Kongressge­bäude in Buenos Aires auf, während die Abgeordnet­en zur Abstimmung über eine Neuberechn­ung der Inflations­anpassung der Pensionen zusammenka­men. Die Regierung des konservati­ven Staatschef­s Mauricio Macri wollte per Gesetz eine Einsparung von jährlich 100 Milliarden Peso (4,9 Mrd. Euro) erreichen. Die Sitzung wurde schließlic­h wegen der gewalttäti­gen Demonstran­ten abgebroche­n.

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