»Ken Jebsen entmündigt sein Publikum«
Umstrittenen Medienmacher wird Antisemitismus und Verschwörungsdenken vorgeworfen – was ist dran?
Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer warf Ken Jebsen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung Israel-Hass sowie die Verbreitung antisemitischer Denkmuster und Verschwörungstheorien vor. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ich halte sie für sehr treffend. Für all das gibt es zahlreiche Beispiele.
Welche Beispiele gibt es für Antisemitismus?
In seinem Beitrag »Zionistischer Rassismus« von 2012 finden sich alle Formen des Antisemitismus. Er benutzt darin eine Umwegkommunikation, das heißt, er spricht nicht von »Juden«, sondern von »Zionisten«.
Was sagt Jebsen über Zionisten? Jebsen behauptet, dass es in den USA eine zionistische Lobby gibt, die die Medien und Hollywood kontrolliert. Er setzt die NS-Politik mit der israelischen Politik gleich und sagt sogar, dass der Zionismus am Ende identisch mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten sei. Er sagt, dass das, was Hitler mit den Juden nicht gelungen sei, jetzt von radikalen Zionisten bei den Palästinensern erreicht würde und benutzt dafür das Wort »Endlösung«.
Und Sie behaupten, er meint mit Zionisten eigentlich »Juden«?
Er versucht, immer von »Zionisten« zu sprechen, oft spricht er im Nebensatz dann aber doch von »Juden«.
Wo ziehen Sie die Grenze zwischen antisemitisch konnotierter Kritik an Israel und legitimer Kritik an der Politik des Staates?
Die Einseitigkeit der Rhetorik spielt hier eine große Rolle. Jebsen setzt sich kaum kritisch mit anderen Regierungen auseinander – abgesehen von den USA – und berichtet nie über die Verantwortlichkeit der Hamas für die Zustände in Gaza. Die Vielfältigkeit der israelischen Gesellschaft, auch der israelischen Politik wird völlig ignoriert.
In einem Interview von 2014 entschuldigte sich Jebsen dafür, »das, was Israel mit den Palästinensern tut, mit der Sprache des Holocaust zu beschreiben.« Ist das als Distanzierung zu verstehen?
Ich weiß nicht, ob so ein »Sorry« eine Distanzierung ist. Er sagt auch, dass es keine Distanzierung in der Sache sei, sondern nur in der Rhetorik.
Ist danach eine Wendung in Jebsens Beiträgen zu erkennen?
Nein. Jebsen hat beispielsweise Donald Trumps jüngste Verkündigung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, auf seinem Blog kommentiert. Dort hat er Israel im Rahmen der »Nakba«, des palästinensischen Narrativs der Vertreibung 1947 und 1948, ethnische Säuberungen vorgeworfen. In einem Interview von 2016 distanziert er sich nicht von dem Begriff eines »Genozid«, den Israel an den Palästinensern betreibe.
Der LINKE-Politiker Andrej Hunko kritisiert eine »wabernde Unschärfe« der Begriffe »Querfront«, »Nationalismus«, »Verschwörungstheorie« und »Antisemitismus«. Muss stärker getrennt werden? Teilweise gehören die Kritikpunkte ja zusammen. Antisemitismus und Verschwörungsideologie sind Teil einer kognitiven Struktur: Innere Konflikte werden auf ein äußeres Objekt übertragen. Im Antisemitismus konkretisiert sich das in den Juden. Verschwörungstheorien kommen zum Teil auch ohne Juden aus, oft läuft das aber zusammen.
Haben Sie Beispiele dafür, dass Jebsen Verschwörungstheorien verbreitet?
Anlässlich der Anschläge in Paris 2015 stellte Jebsen die Erzählung der Polizei in Frage, die Attentäter gefunden zu haben – und verglich sie mit den Angaben der Polizei nach den Anschlägen von New York 2001. 9/11 bezeichnet er als »Terrorlüge«.
Und was ist mit dem Vorwurf der »Querfront«?
Da geht es darum, dass Linke und Rechte zusammenarbeiten. Historisch fand man das in Deutschland bei den so genannten Nationalbolschewisten in der Weimarer Republik und dem »Tat-Kreis« um Hans Zehrer, die Kontakte zum »linken Flügel« der NSDAP suchten. Es geht jedoch nicht nur um Zusammenarbeit, sondern auch um ein geteiltes Weltbild.
Das wäre?
Die Analyse des kapitalistischen Systems wird ersetzt durch moralische Kritik. Das neue Subjekt ist nicht die Arbeiterklasse, sondern die Nation beziehungsweise das Volk.
Wo setzen Sie die Grenze zwischen links und rechts? Jebsen kritisiert etwa die repräsentative Demokratie: »Wie kann es sein, dass in demokratischen Regierungen Kriege möglich werden, wenn doch das Volk das gar nicht möchte?« Ähnliches kennen wir von der spanischen Demokratiebewegung 2011. Da ist sicherlich etwas dran. Das Problem ist, dass Jebsen dann einseitig zuspitzt. Sein Ausgangspunkt ist ein unpolitischer: »Volk« ist so ein Ding an sich, er sieht nicht die Spaltung, die vielfältig miteinander vermittelten Herrschaftsverhältnisse.
Sein Zitat geht so weiter: »Du kannst nicht mitbestimmen. Denn die Macht dahinter, die eine sehr alte Macht ist, nutzt diese Demokratie als Trojanisches Pferd, denn du kommst gar nicht an sie ran.« Wen meint er denn da?
Das kann man nur mutmaßen, weil diese Vagheit ja gerade Assoziationen wecken soll. Jebsen benennt dann häufig globale Unternehmen oder Leute wie etwa den amerikanischen Multimilliardär George Soros, den er in seinen Beiträgen oft anführt und der eine beliebte Hassfigur für die Neue Rechte ist.
Und der wird als Strippenzieher ausgemacht?
Jebsen geht von einer Welt aus, in der es quasi keine strukturellen Konflikte oder Widersprüche gibt, sondern bloß den bösen Willen von einzelnen, der dann zu Krieg führt, zu Krisen, zu sozialer Ungleichheit.
Wo liegt der Unterschied zu linker Kritik?
Eine linke Analyse beschäftigt sich nicht mit den bösen Entscheidungen einzelner, sondern mit der Struktur des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, die zu diesen strukturellen Effekten führt und dann auch angreifbar ist. Jebsen sucht Sündenböcke, aber er analysiert nicht.
Wo liegt die Gefahr einer Zusammenarbeit?
Jebsen entmündigt sein Publikum. Man zeigt, wie böse die Welt ist, man zeigt die Schuldigen dafür, aber das Ganze beinhaltet keine Möglichkeit für politisches Handeln.