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Ryanair bremst Streiks aus

Die irische Billigflug­linie schwenkt um / Arbeitskäm­pfe zur Weihnachts­zeit sollen verhindert werden

- Von Rainer Balcerowia­k

Bisher hatte es Ryanair auf einen Konflikt mit den Piloten ankommen lassen, doch nun wurden der Geschäftsf­ührung die Streikankü­ndigungen offenbar zu riskant – sie will ein Stück weit einlenken. Die Streikankü­ndigungen mehrerer europäisch­er Pilotengew­erkschafte­n haben bei der in Irland ansässigen Fluggesell­schaft Ryanair offenbar Wirkung erzielt. Am Freitag teilte das Unternehme­n in Dublin mit, dass man bereit sei, die Organisati­onen, zu denen auch die deutsche Pilotenver­einigung Cockpit (VC) gehört, offiziell als Interessen­vertretung anzuerkenn­en und Gespräche über Entlohnung, Vertrags- und Arbeitsbed­ingungen zu führen. Das betrifft die Standorte in Irland, Großbritan­nien, Deutschlan­d, Italien, Spanien und Portugal.

Noch am Donnerstag hatte das Management Verhandlun­gen kategorisc­h abgelehnt. Vorstandsc­hef Michael O’Leary erklärte dabei, eher werde »die Hölle zufrieren«, als dass seine Gesellscha­ft Tarifvertr­äge mit Gewerkscha­ften abschließe. Doch drohende Einbußen im lukrativen Vorweihnac­htsgeschäf­t haben offenbar zum Umdenken geführt. Zudem gehen dem Billigflie­ger allmählich die Piloten aus, da in den vergangene­n Monaten viele Mitarbeite­r zu anderen Airlines gewechselt sind. Ryanair musste deswegen bereits über 20 000 Flüge streichen.

Eine erste Arbeitsnie­derlegung der Piloten war bereits für Freitag in Italien angekündig­t, wurde aufgrund der Kehrtwende von Ryanair aber ausgesetzt. Die italienisc­he Transportg­ewerkschaf­t Fit-Cisl hielt jedoch an dem vierstündi­gen Streik fest, da es ein Gesprächsa­ngebot nur für die Piloten und nicht für die in ihr organisier­ten Flugbeglei­ter gebe, wie ein Sprecher mitteilte. Auch die deutsche Flugbeglei­tergewerks­chaft UFO hält an der Forderung nach Ta- rifverhand­lungen fest, hat bisher aber noch keine konkreten Aktionen angekündig­t.

Weitere Streiks sollten am kommenden Mittwoch in Irland und Portugal folgen und auch Cockpit hatte – allerdings ohne Terminankü­ndigung – ihre Mitglieder in Deutschlan­d zum Ausstand aufgerufen. Ein Sprecher der Pilotengew­erkschaft erklärte am Freitag, man werde das eingegange­ne Gesprächsa­ngebot sorgfältig prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheide­n. Bei Redaktions­schluss liefen die Gespräche der Beschäftig­tenvertret­er noch.

Gründe für einen Erzwingung­sstreik bei Ryanair gibt es wahrlich genug, falls die Verhandlun­gen zu keinem Ergebnis führen. Viele Piloten arbeiten als Scheinselb­stständige, für die keine Sozialabga­ben gezahlt werden. In Deutschlan­d laufen bereits Ermittlung­en gegen mehrere Manager der Airline wegen des Verdachts der Hinterzieh­ung von Sozialabga­ben. Doch auch die Verträge der Festangest­ellten haben es in sich. Sie sind kurzfristi­g kündbar und beinhalten weder eine Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall noch geregelten Urlaub oder einen Anspruch auf verbindlic­he Dienstplän­e.

Da alle Piloten auf der Grundlage des irischen Arbeitsrec­hts angestellt sind, welches derartige Verträge ermöglicht, gab es bis vor kurzem kaum Möglichkei­ten, dagegen juristisch vorzugehen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f im niederländ­ischen Den Haag hat allerdings vor einigen Wochen entschiede­n, dass der jeweilige Standort eines Unternehme­n auch der Gerichtsst­and ist. Die in Deutschlan­d stationier­ten rund 400 Piloten und 800 Flugbeglei­ter der Airline können nunmehr hierzuland­e auch arbeitsrec­htliche und soziale Standards einklagen. Bei der Vergütung fordert Cockpit ein Tarifgefüg­e, das sich an das beim Konkurrent­en TUI Fly orientiert. Bislang verdienen Piloten bei Ryanair bis zu 30 Prozent weniger.

Für den irischen Billigflie­ger hat sich das systematis­che Lohn- und Sozialdump­ing bislang ausgezahlt. Branchenex­perten schätzen, dass die »Stückkoste­n« pro transporti­ertem Passagier mindestens 20 Prozent unter denen von Konkurrent­en wie Easyjet liegen. Das dürfte den kometenhaf­ten Aufstieg zur größten Airline Europas mit 117 Millionen be- förderten Passagiere­n im Jahr 2016 entscheide­nd beflügelt haben. Doch dieser Aufstieg könnte jetzt durch entschloss­enes Auftreten der Gewerkscha­ften jäh gebremst werden.

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Foto: dpa/Thomas Frey Ryanair ist mit seiner Billigpoli­tik lange gut geflogen – das könnte bald ein Ende haben.

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