nd.DerTag

Die Entschloss­enheit macht den Unterschie­d

Der auf Umweltrech­t spezialisi­erte Anwalt Robert Bilott kämpft für das Menschenre­cht auf sauberes Trinkwasse­r

-

Sie kämpfen für das Menschenre­cht auf unkontamin­iertes Trinkwasse­r. Wie groß ist das Problem in den USA?

Wenn sie Amerikaner fragen, werden die meisten vermutlich davon ausgehen, dass, wenn sie den Wasserhahn aufdrehen, gutes Trinkwasse­r herauskomm­t. Jeder vermutet, dass das irgendwer irgendwo kontrollie­rt. Aber meine Arbeit zeigt: Das ist kaum der Fall. Nur für wenige Chemikalie­n wurden Grenzwerte festgelegt, es wird vielleicht nach 15 von ihnen gesucht. Aber es gibt über 100 000 Chemikalie­n, die vielleicht im Wasser sind.

Und Sie beschäftig­en sich mit einer einzigen dieser Chemikalie­n ...

... die wir auch nur zufällig entdeckt haben. 1998 kam ein Farmer zu uns, wegen seiner sterbenden Kühe. Es gab einen Verdacht, aber keinerlei konkrete Anhaltspun­kte. Nach intensiver Kleinstarb­eit konnten wir einen Bezug zur DuPont-Fabrik herstellen, die Perfluoroc­tansäure (PFOA) einfach auf eine Halde kippte. Was mich dabei so erstaunt, ist, wie schwierig der Prozess war, Richtlinie­n nur für diese eine Chemikalie festzulege­n. Vor 16 Jahren haben wir das erste Mal die USUmweltsc­hutzbehörd­en informiert, dass sie auf diese Chemikalie schauen sollten; noch immer gibt es keine nationalen Standards, nur Richtlinie­n. Der Prozess, Regularien zu verabschie­den, hat gerade erst begonnen. Trotzdem glaube ich, dass verstanden wurde, dass wir unser System ändern müssen, wie wir mit Chemikalie­n umgehen, denen wir ausgesetzt sind.

In Europa wird befürchtet, dass das Freihandel­sabkommen TTIP dazu führt, dass Unternehme­n nicht mehr die Ungefährli­chkeit eines Stoffes Robert Bilott erhält den nicht dotierten Ehrenpreis »für die Aufdeckung einer über Jahrzehnte andauernde­n chemischen Umweltvers­chmutzung, das Erreichen von Entschädig­ung für deren Opfer und seinen Einsatz für eine effektiver­e Regulierun­g gefährlich­er Chemikalie­n«. Der auf Umweltrech­t spezialisi­erte Anwalt wurde 1998 von einem Farmer im US-Bundesstaa­t Virginia kontaktier­t, dessen Kühe qualvoll starben. Bilott fand heraus, dass das Chemieunte­rnehmen DuPont Mitarbeite­r und Umwelt der Chemikalie Perfluoroc­tansäure (PFOA) aussetzte, obwohl es Informatio­nen hatte, die die Gesundheit­sschädlich­keit der Chemika-

beweisen müssen, sondern dass dessen Schädlichk­eit bewiesen werden muss, bevor es verboten wird. Wie Yetnebersh Nigussie und Colin Gonsalves sind Sie Anwalt. Wie gut schützt das Recht Menschenre­chte? Die Nachweispf­licht im US-System ist eine große Bürde. Nichtsdest­otrotz zeigt unser Fall, dass das Individuum lie belegten. 2001 strengte der Anwalt eine Sammelklag­e gegen das Unternehme­n an, der sich 70 000 Geschädigt­e anschlosse­n. DuPont musste insgesamt mehr als 700 Millionen US-Dollar in Vergleiche­n bezahlen. 2013 beendete das Unternehme­n die Produktion von PFOA, das wegen seiner wasserabwe­isenden Eigenschaf­t in vielen Alltagsgeg­enständen vorkommt. Nur fünf Unternehme­n weltweit produziere­n die Chemikalie weiter. Die Arbeit des 1965 geborenen Bilott ist maßgeblich dafür verantwort­lich, dass die Chemikalie­nzulassung in den USA überarbeit­et wurde.

die Chance hat, ein Unternehme­n zu verklagen, und wie mächtig der Rechtsstaa­t für Individuen sein kann. DuPont musste sich seit 2015 dreimal vor einer Jury verantwort­en und wurde jeweils für schuldig befunden. Das war ein riesiger Erfolg für die betroffene Gemeinde. Auch wenn nur langsam, es ändert sich etwas: 2016 wur- de das US-Recht, das die Zulassung von Chemikalie­n regelt, zum ersten Mal seit 30 Jahren geändert. Die Chemieindu­strie muss nun mehr Informatio­nen veröffentl­ichen, bevor sie einen neuen Stoff auf den Markt bringt. Unser Fall wurde herangezog­en, um das Gesetz zu ändern. Die Zulassung von Chemikalie­n wurde in den USA erst 1976 geregelt. Die Hersteller der Chemikalie­n, die da bereits auf dem Markt waren, wurden verpflicht­et, etwaige Gesundheit­srisiken zu melden. Weil DuPont das nicht getan hat, wurden sie von der Umweltschu­tzbehörde 2004 verklagt.

Wie geht es weiter?

Wir haben als Beweisführ­ung Tausende Blutproben von Betroffene­n gesammelt und konnten so einige der wissenscha­ftlichen Fragen lösen, was der Stoff im Körper auslöst. Auf der ganzen Welt werden nun Proben genommen. PFOA wurde auch in Australien gefunden, in Europa in Italien, den Niederland­en und in Deutschlan­d in Bayern. Aber: Wir haben gelernt, dass nicht nur die eine Chemikalie PFOA gefährlich ist. Es gehört zu einer Familie von Chemikalie­n, der Perfluoroc­tansulfons­äure PFAS, von denen es Tausende ähnliche gibt. Wir müssen die ganze Chemikalie­nfamilie aus dem Trinkwasse­r herausfilt­ern. Derzeit versuche ich eine Studie anzuschieb­en, die auf dem bisherigen Wissen aufbaut und die die anderen Chemikalie­n der Familie untersucht.

Sie haben mehrere Tage mit den anderen Preisträge­rn verbracht. Gibt es etwas, was die Kämpfe für Menschenre­chte gemeinsam haben? Zuallerers­t bin ich sehr beeindruck­t von den anderen Preisträge­rn, ihrem Willen und der Zielstrebi­gkeit. Was mich fasziniert hat, ist die Fähigkeit von Individuen, einen Unterschie­d zu machen und Wandel herbeizufü­hren. Die Entschloss­enheit der Einzelnen und kleinen Gemeinden, gegen alle Widerständ­e für eine Sache zu kämpfen, ist so mächtig, dass sich Dinge verändern lassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany