Schwarz-Rot scrabbelt sich durch
Nun also doch: Die SPD will ab Januar mit der Union Möglichkeiten gemeinsamen Regierens sondieren
Berlin. GroKo, KoKo, MiKo – das Politvokabular ist in Bewegung geraten. Der Not gehorchend, denn wenn bald der Heilige Abend eingeläutet wird, steht die Bundesrepublik genau drei Monate nach der Wahl noch immer ohne neue Regierung da. Am Freitag rang sich die SPD immerhin zu Sondierungsgesprächen mit der Union durch; CDU und CSU wollen eine erneute Große Koalition, bei den Sozialdemokraten schwebt manchem eine KoKo vor, eine Kooperationskoalition mit gelockerten Verbindlichkeiten. Als MiKo (Mini-GroKo) und VerKo (Verliererkoalition) verspottete LINKE-Chef Bernd Riexinger schon mal den neuen Anlauf. Die SPD-Linke fordert, weiterhin über eine Minderheitsregierung zu reden; für eine MiKo (Minderheitskoalition) aus Schwarz und Grün wäre mancher Grüne wohl zu erwärmen. Auch wenn das Ganze bis weit ins nächste Jahr andauern wird, sieht HeiKo (Maas) keine Staatskrise; der SPD-Justizminister findet, dass Demokratie eben Zeit braucht. Notfalls wird am Ende eine SoKo zur Lösungssuche eingesetzt. Als Chef schlagen wir GojKo (Mitic) vor, den großen, unbesiegbaren Häuptling. Wenn der es nicht kann, dann keiner.
Von dieser iranischen Christin, die aus Schweden abgeschoben werden soll, habe ich letztlich wegen Viktor Orbán gehört: Ungarns Regierung, in der nun auch ein Staatssekretär für verfolgte Christen sitzt, bietet ihr werbewirksam Asyl an.
Aideen Strandsson, 37, lebt in der achtgrößten schwedischen Stadt Linköping, trifft mich aber in Stockholm, in der afrikanisch-nahöstlichen Zone mit perfekt in Schuss gehaltenen Sozialbauten. Wir reden in der freikirchlich-orientalischen TenstaKirche. Die blondgelockte Schauspielerin trägt einen kurzen Rock über dicken schwarzen Wollstrümpfen. Oft lächelt sie herzerweichend, oft steht ihr Angst im Gesicht, neutral ist ihr Ausdruck nie.
Sie erzählt von ihrer Konversion: Auf einer Amerikareise 2005 sah sie Filme, welche die Zensur im Iran ausfiltert, mit Steinigungen von Frauen etwa. »Ich begriff, dass ich mit dieser Religion nichts zu tun haben will.« Sie las die Bibel, die ihr Bruder aus Armenien mitbrachte. Einmal erschien ihr Jesus im Traum, »er nahm mich an der Hand, ich liebe diese Güte«. 2014 mit einem dreijährigen Arbeitsvisum nach Schweden gekommen, ließ sie sich öffentlich taufen.
Sie beschreibt das stakkatoartige Kreuzverhör, mit dem sie auf dem Migrationsamt getestet worden sei: »Wo ist Christus geboren? Wo ist er gestorben? Wieviele Feiertage gibt es? Als ich unsicher war, ob ich am Samstag oder am Sonntag im Gottesdienst war, rief die Beamtin: Sie sind eine Lügnerin!«
Am Gespräch nimmt ein Hüne teil, der Aideen unterstützt. Pastor Cai Berger hat sich in das iranische Strafrecht vertieft, »Richter verfügen beim Abfallen vom Islam über einen weiten Strafrahmen«. Er spricht von Folter an inhaftierten Christen, von einem Selbstmord und außergerichtlichen Morden. Ungläubig erinnert sich Strandsson: »Die Migrationsbeamtin sagte zum Richter: Sie lügt, sie kriegt nur ein halbes Jahr Gefängnis, das ist nichts.«
Der Pastor erklärt diese Feindseligkeit damit, dass Beamte im säkularen Schweden »Glauben nicht verstehen«. Strandsson spricht Schwe- disch, singt im schwedischen Kirchenchor, hat ein Jobangebot von Ericsson und findet ihren Abschiebungsbescheid ungerecht: »Sie haben so viele Leute aufgenommen, 160 000 zwischen 2015 und 2016, oft ohne jeden Grund!« Ich frage sie, ob sie Schweden für ein christliches Land hält. Sie schätzt den Anteil praktizierender Christen auf zehn Prozent, der Pastor glaubt an »nicht mehr als zwei Prozent« Kirchgänger.
Diesen Winter wartet Aideen Strandsson. Ihre Berufung liegt ein halbes Jahr zurück, sie würde auch bis Straßbourg ziehen. Eine weitere Unwägbarkeit liegt darin, dass ihr Heimatstaat, den sie »islamisches Regime« nennt, christliche Konverti- ten manchmal nicht zurücknimmt. Warum hat sie das Angebot aus Ungarn nicht gleich angenommen? »Ich war so dankbar und glücklich, als ich diese SMS bekommen habe. Ich dachte, endlich gibt es auf der Welt einen Platz für mich.« Verwandte leben aber schon länger in Schweden, darum möchte sie bleiben.
Ich teste ihre Kenntnis von Ungarn. Sie war nie dort und kommt auch nicht hin, ihre Papiere sind eingezogen. Sie sagt: »Es ist ein sehr christliches Land. Viele Menschen gehen in die Kirche. Die Regierung fördert das.« Den Namen des Ministerpräsidenten hat sie zwar vergessen, für die Wirtschaft sei er aber gut. Ich wiege den Kopf. »Haben Sie von seinem Grenzzaun gehört?« – »Ja, aber Christen lässt er rein.« Meine Erwartung war, dass sie mich, der ich nahe der ungarischen Grenze lebe, mit Fragen bestürmen würde. Solche stellt aber nur Pastor Berger.
Ich frage sie, warum sie ihren Familiennamen auf Strandsson geändert hat. Sie erklärt trocken: »Mein Familienname war Mohammed.« Ich kann nicht anders als mich vor Lachen zu krümmen. Dann wieder die Angst in ihrem Blick. Ihr InstagramProfil hat sie zugemacht, so sehr sei sie von Landsleuten beschimpft worden. In Schweden leben mehr als 70 000 Iraner, mit der Publizität steigt auch die Gefährdung. Gleichzeitig erhöht die Publizität nach schwedischem Recht aber auch die Chancen, dass ihre Berufung durchgeht: Das schwedische Gericht muss die Wahrscheinlichkeit in Betracht ziehen, dass die iranischen Behörden von ihrer Konversion zum Christentum erfahren. Daher will Aideen Strandsson, dass ich über sie schreibe. Mit Zweifel in den Augen sagt sie: »Ich glaube an ein Wunder. Ich glaube, dass Jesus mir helfen wird.«