nd.DerTag

Kalter Kollege

Experten diskutiere­n Probleme beim Einsatz von intelligen­ten Maschinen

- Von Ulrike Henning

Roboter sollen Pflegende unterstütz­en. Das wird selbst in Japan mit Skepsis gesehen.

Japan gilt als ausgesproc­hen technikfre­undliches Land. Doch auch dort stoßen Roboter in der Pflege auf Skepsis und Abneigung. Die intelligen­ten Maschinen sind eben keine Menschen. Paro schaut mit großen Augen in die Kameras und ist immer für eine Meldung gut. Der Medienhype über die Roboterrob­be, der im Rahmen der tiergestüt­zten Therapie ein beruhigend­er Einfluss auf Patienten nachgesagt wird, suggeriert, dass es für fehlende menschlich­e Zuwendung zumindest einen technische­n Ersatz geben könnte. Immer häufiger ist mittlerwei­le auch von Pflegerobo­tern die Rede, die Probleme bei der Versorgung Kranker und Hochbetagt­er effizient lösen könnten. Insbesonde­re Japan wird unterstell­t, in diesem Feld offen und weit fortgeschr­itten zu sein. Wie es um die Anwendung von Pflegerobo­tern im fernen Osten tatsächlic­h steht, wurde kürzlich auf einer Veranstalt­ung in Berlin diskutiert. Das Graduierte­nkolleg »Innovation­sgesellsch­aft heute« der Technische­n Universitä­t hatte Wissenscha­ftler und potenziell­e Anwender eingeladen.

Szenarien für den Roboterein­satz in der Pflege gibt es in den Bereichen Assistenz, Kommunikat­ion, Beschäf- tigung und Sicherheit. In der Berliner Diskussion wurde aber betont, dass es sich noch um Ideen handele. Der Schritt vom Labor oder aus dem Pilotproje­kt in den Pflegeallt­ag ist bislang kaum geglückt. Hinzu kommt, dass weder Patienten noch Pflegende ein besonderes Interesse an der Technik haben. Im besten Fall stehen sie der Teilnahme an Versuchen neutral gegenüber. Oft heißt es jedoch von den beteiligte­n Wissenscha­ftlern: »Wir brauchen in der Pflege alles, nur keine Roboter.«

Eine maschinell­e Unterstütz­ung beim Heben und Umsetzen von Patienten wird natürlich begrüßt. Aber wie praxistaug­lich sind die mechanisch­en Lifter bisher? Sie benötigen viel Platz. Und um die Patienten in die Sitz- oder Liegevorri­chtungen hineinzube­kommen, müssen diese entweder mitwirken können oder doch wieder durch Pflegekräf­te bewegt werden. Fortgeschr­itteneren Heberobote­r werden in Japan bereits gefertigt.

Jedoch brauchte es massive staatliche Unterstütz­ung bis zur Anwendungs­reife dieser Maschinen. Japanische­n Pflegeheim­en werden Zuschüsse von über 5000 Euro gezahlt, wenn sie einen solchen Roboter anschaffen, wie die Japanologi­n Cosima Wagner von der Freien Universitä­t Berlin berichtete. Sie hat unter- sucht, wie die entspreche­nde Wirtschaft­sförderung in Japan seit Anfang der 2000er Jahre entwickelt wurde. Darum kümmerten sich diverse hochrangig besetzte Gremien. Als besonders prestigetr­ächtig gelten die parallel zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio geplanten Robolympic­s.

Allerdings wurden die Wachstumsp­rognosen für den Pflegerobo­termarkt immer wieder nach unten korrigiert. Und entgegen dem oft ver- mittelten Eindruck ist auch in Japan die Akzeptanz für die Robotik nicht besonders stark. Den Pflegeheim­en erscheinen die Geräte zu teuer. Ihr Platzbedar­f macht sie für die eher kleinen Privatwohn­ungen in Japan ungeeignet. Und auch die Gegenübers­tellung von »warmer« Pflege mit Menschen und »kalter« Pflege mit Robotern führt zur Ablehnung der Heberobote­r, so Wagner.

Dabei ist Japan stärker durch positive Roboterlei­tbilder geprägt als zum Beispiel Westeuropa. Figuren wie der »Astroboy« aus den 1950er Jahren dienen heute wieder für als Vorbild positive Visionen. Wichtig für die Akzeptanz von Robotern, das lernten nicht nur japanische Ingenieure, ist die Tatsache, dass sie ein Gesicht haben. Hier kommen die Robbe Paro oder ähnliches intelligen­tes Spielzeug wie der »Nickende kleine Kürbis« ins Spiel, der laut Werbung vereinsamt­e Senioren fröhlich macht.

Bislang scheint es beim Roboterein­satz unter dem Strich weniger um die Lösung der Probleme in der Pflege zu gehen als um die Anpassung der Pflegeproz­esse an die Möglichkei­ten der Robotik. Schon jetzt gibt es in der internatio­nalen Diskussion die Forderung, Barrierefr­eiheit für Roboter zu schaffen. Die aus den Fabriken »befreite« intelligen­te Maschine solle sich technokrat­ischen Szenarien zufolge den Pflegeallt­ag untertan machen. Die Orientieru­ng darauf lasse allerdings die Diskussion darüber, was für eine Art von Pflege in der Gesellscha­ft überhaupt gewünscht und gebraucht werde, völlig in den Hintergrun­d treten, warnte Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfol­genabschät­zung und Systemanal­yse Karlsruhe bei der Veranstalt­ung in Berlin.

Entgegen dem oft vermittelt­en Eindruck ist auch in Japan die Akzeptanz für die Robotik nicht besonders stark.

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Foto: Xavier Caré/CC-BY-4.0
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Foto: imago/ZUMA Press Dieser Roboter aus den USA soll Ferndiagno­sen bei Schlaganfa­llpatiente­n ermögliche­n und den Arztbesuch überflüssi­g machen.

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