nd.DerTag

Eine schrecklic­h nette Familie

- Von Richard Schuberth

Es

ist vollbracht. Mit der neuen Regierung aus FPÖ und ÖVP ist Österreich im Geiste mit Ungarn wiedervere­int: Neoliberal­ismus und Faschismus im Honeymoon. Heer, Polizei, Geheimdien­ste unterstehe­n der FPÖ, die Agenden Deregulier­ung und Umverteilu­ng nach oben übernehmen die Leute vom Fach. Das winzige Segment, das sich in Österreich als links bezeichnen kann, jammert sich mit der üblichen Mischung aus Selbstüber­schätzung und Katholizis­mus an, was es bloß falsch gemacht habe, dass 60 Prozent der Bevölkerun­g gegen die eigenen Interessen votierten. Der linksliber­ale Mittelstan­d indes fühlt sich in seiner dünkelhaft­en Auffassung von der Dummheit der Massen bestätigt, an der nur eines nicht stimmt, nämlich dass er klüger sei, was sein verzerrtes Bild emanzipato­rischer Fronten zwischen retardiert­en Prolorassi­sten und weltoffene­n Kulturkons­umenten, zwischen heteronorm­ativen Dirndlträg­er_innen und Zungengepi­ercten, zwischen Ungebildet­en und Halbgebild­eten permanent widerlegt. Wenigstens bleibt ihm der Ausweg in die typisch westeuropä­ische Illusion versperrt, die neoliberal­en Eliten, jene illegitime­n Väter der rechten Barbarei, als zivilisato­rischen Schutz vor dieser misszuvers­tehen, denn die feiern in Österreich gerade Party mit den Barbaren.

Wie das Projekt eines »linken Populismus« in die Hose gehen kann und muss, indem es den einfachen Mann von der Straße abholen will und dann neben ihm – daneben eben – stehen bleibt, hat der Ex-Grüne Peter Pilz bewiesen, der in seinem Buch »Heimat Österreich« Verständni­s für die Ängste autochthon­er Frauen vor grapschend­en Ausländern schürte, ehe er vor einem Monat durch die #metoo-Kampagne als Mehrfachgr­apscher von der politische­n Bildfläche gespült wurde.

Es wird Zeit, der Realität in ihr irres, zitterndes Auge zu blicken. Die österreich­ische Folkloreva­riante des Rätsels liegt nicht darin, warum die Abgehängte­n rechts und neoliberal wählen, sondern warum die noch nicht Abgehängte­n – Österreich verfügt im europäisch­en Vergleich noch über ein relativ intaktes Sozialsyst­em – um jeden Preis abgehängt werden wollen. Denn Sebastian Kurz hat nie verheimlic­ht, dass er so etwas wie Hartz IV einführen wolle, und mit der gesamten Demütigung­spalette freimütig Wahlwerbun­g gemacht. Das Mandat für einen autoritäre­n Neoliberal­ismus ist mitnichten die Abstrafung eines liberalen Neoliberal­ismus, wie Linke in Anbetracht von Trump, Brexit und AfD sich gerne ins Fäustchen lügen, nur um zumindest ihr Wunschbild der zumal schlafende­n Rationalit­ät ihrer proletaris­chen Kleinbürge­r zu retten.

Die österreich­ische Wahrheit ist derb, simpel und unerträgli­ch. Das Angebot, das die nun regierende­n Mächte dem kleinen Mann, der kleinen Frau gemacht haben, lautete in etwa so: Wir beliefern dich mit Heimat, der Identifika­tion mit geschniege­lten Gewaltburs­chen und pickellose­n Bürgerbubi­s, dem befreiende­n Gefühl harter Aufräumer, und dann tun wir dir weh, sehr weh sogar. Doch bleiben wir durch deine Erniedrigu­ng in Körperkont­akt und somit eine schrecklic­h nette Familie. Aber kleines Bonbon: Wir tun den Anderen, dem Abschaum, den Ausländern, Moslems, Hirnwichse­rn, Künstlern, Sozialschm­arotzern doppelt so weh wie dir ... Deal? Und das Volk jubelte.

Von Gewaltburs­chen und Bürgerbubi­s

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