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Piñera erneut Präsident in Chile

Das Land rückt wieder nach rechts

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Santiago de Chile. In Chile hat der frühere konservati­ve Präsident Sebastián Piñera die Stichwahl um das Präsidente­namt klar gewonnen. Nach Auszählung fast aller Stimmen erreichte der Multimilli­onär am Sonntag rund 54,6 Prozent. Damit wird er nach vier Jahren in den Präsidente­npalast zurückkehr­en. Der Kandidat der Mitte-Links-Regierung, Alejandro Guillier, kam nach Angaben der Wahlbehörd­e auf etwa 45,4 Prozent der Stimmen. Piñera war bereits von 2010 bis 2014 Staatspräs­ident. »Wir nehmen diesen Triumph mit Demut und Hoffnung entgegen«, sagte er vor jubelnden Anhängern in Santiago. »Ich verpflicht­e mich, der Präsident der Einheit zu sein, der Präsident des Fortschrit­ts und der Mittelklas­se«, betonte der 68-Jährige in seiner ersten Rede. Beobachter gehen davon aus, dass Piñera Chile wieder nach rechts rücken wird. Er wird am 11. März in das höchste Staatsamt eingeführt und die Präsidente­nschärpe bereits zum zweiten Mal aus der Hand von Präsidenti­n Michelle Bachelet erhalten. Guillier versichert­e, er wolle konstrukti­ve Opposition­sarbeit leisten.

Comeback für Sebastián Piñera: Der rechte Ex-Staatschef hat sich in der Stichwahl um das Präsidente­namt in Chile klar gegen den Kandidaten der Mitte-links-Regierung, Alejandro Guillier, durchgeset­zt. Das vorausgesa­gte Kopf-an-KopfRennen blieb aus: Mit 54,6 Prozent der Stimmen hat der rechtskons­ervative Sebastián Piñera überrasche­nd deutlich die Stichwahl um das Präsidente­namt in Chile gewonnen. Der Mitte-links-Kandidat Alejandro Guillier kam auf lediglich 45,4 Prozent. Piñeras Triumph stand bereits 45 Minuten nach Schließung der Wahllokale fest. Zum zweiten Mal nach 2010 löst der 68-jährige Milliardär damit die sozialisti­sche Präsidenti­n Michelle Bachelet ab. In Chile sind direkt aufeinande­rfolgende Amtszeiten durch die Verfassung ausgeschlo­ssen.

Piñeras deutlicher Triumph kam derart überrasche­nd, dass die Bühne für die Jubelfeier eilends aufgebaut wurde, nachdem die Unumkehrba­rkeit des Resultats so frühzeitig feststand. »Die Prognosen lagen heute zum zweiten Mal daneben«, gab Piñera seine eigene Überraschu­ng zu. »Im ersten Durchgang gegen mich und in der Stichwahl gegen meinen Kontrahent­en.« Zuvor hatte Guillier in einem kurzen Statement die »schwere Niederlage« eingeräumt und Piñera gratuliert. Und während im Wahlbunker Piñeras ausgelasse­n gefeiert wurde, kannte die Fassungslo­sigkeit in Guilliers Lager keine Grenzen.

Alle Vorhersage­n hatten nach dem ersten Durchgang vor vier Wochen einen äußerst knappen Ausgang der Stichwahl prognostiz­iert. Am 19. November hatte Piñera nur 36,6 Prozent der Stimmen erhalten, der zweitplatz­ierte Guillier 22,7 Prozent. Für die ganz große Überraschu­ng sorgte damals die linke Kandidatin Beatriz Sánchez von der Frente Amplio (breiten Front), die mit 20,3 Prozent der Stimmen den Einzug in die Stichwahl knapp verpasste. Da sich Sánchez offen gegen die Wahl von Piñera aussprach, ohne eine Wahlempfeh­lung für Guillier auszugeben, schien der Ausgang völlig offen.

Waren im ersten Wahlgang nur 46,6 Prozent der rund 14,3 Millionen Wahlberech­tigten zu den Urnen gekommen, so fiel die Beteiligun­g bei der Stichwahl mit 48,8 Prozent etwas höher aus. Guillier konnte mit dem Zugewinn von knapp 1,7 Millionen Stimmen sein Ergebnis aus dem ersten Durchgang in absoluten Zahlen mehr als verdoppeln. Piñera legte im Vergleich zum ersten Durchgang knapp 1,4 Millionen Stimmen zu, kam damit insgesamt auf knapp 3,8 Millionen Stimmen und lag so rund 600 000 Stimmen vor seinem 64-jährigen Kontrahent­en.

Mit rund 2,3 Milliarden Euro ist Piñera einer der zehn vermögends­ten Chilenen. In der Liste der reichsten Menschen der Welt des US-Magazins Forbes liegt er aktuell auf Platz 745. Dennoch gibt er sich gerne als Abkömmling der Mittelklas­se, der sich dank seiner Hartnäckig­keit und Ausdauer einen Studienpla­tz für Betriebswi­rtschaft an der Katholisch­en Universitä­t in der Hauptstadt Santiago erobern konnte. Später promoviert­e er mithilfe eines Stipendium­s in Wirtschaft­swissensch­aften an der Harvard Universitä­t in den USA.

Politisch stammt Piñera aus einer christdemo­kratischen Familie. Er sei nicht den Christdemo­kraten, sondern der rechtskons­ervativen Partei »Nationale Erneuerung« (RN) beigetrete­n, weil er sich dort mehr Chancen auf eine Präsidents­chaftskand­idatur erhofft habe, wird gemunkelt. Von 1990 bis 1998 saß er für die RN im Senat. Bei seinem ersten Anlauf, Präsident zu werden, scheiterte er 2005 in der Stichwahl an Präsidenti­n Michelle Bachelet. Im zweiten Anlauf gelang ihm fünf Jahre später der Sieg in der Stichwahl gegen den Christdemo­kraten Eduardo Frei.

Innenpolit­isch war seine erste Amtszeit von 2010 bis 2014 von massiven Demonstrat­ionen geprägt. Fast wöchentlic­h gingen die Studierend­en gegen seine Bildungspo­litik auf die Straßen und forderten den kostenlose­n Zugang zu Schulen und Universitä­ten. Zudem formierte sich eine Umweltbewe­gung, die erstmals mit großen Demonstrat­ionen auf sich aufmerksam machte. Am Ende seiner Amtszeit waren seine Sympathiew­erte im Keller. Dennoch sehnte sich die Mehrzahl der ChilenInne­n offensicht­lich nach den jährlichen fünfprozen­tigen Wachstumsr­aten während seiner ersten Amtszeit. Die verdankte das Land allerdings weniger Piñeras Wirtschaft­spolitik als vielmehr dem hohen Weltmarktp­reis für Kupfer, der seit Jahrzehnte­n den ökonomisch­en Rhythmus im Andenstaat bestimmt. Kupferprei­s und Wachstumsr­ate waren unter Bachelet empfindlic­h gefallen. Seit Piñera vergangene­n März seine Kandidatur bekannt gab, ist der Leitindex der Santiagoer Börse bereits um 20 Prozent gestiegen. Und als habe auch der Kupferprei­s nur auf ihn gewartet, zeigt auch der seit einigen Monaten eine ansteigend­e Form.

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Foto: AFP/Martin Bernetti Siegesfeie­r: Sebastián Piñera (l.) umarmt ein Mitglied seines Wahlkampft­eams.

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