nd.DerTag

Krieg in Jemen mit deutschen Waffen

Rüstungsbe­richt der Kirchen

- Von Olaf Standke

Die amtierende Bundesregi­erung wollte sich am Montag zunächst nicht zum aktuellen Rüstungsex­portberich­t der Gemeinsame­n Konferenz Kirche und Entwicklun­g (GKKE) äußern. Es ist schon Ritual, wenn ihr Sprecher Steffen Seibert lediglich auf die grundsätzl­ich restriktiv­e Exportpoli­tik der Bundesrepu­blik verweist. Nur zielt die Kritik der Kirchen seit Jahren darauf, dass zwischen diesem Anspruch und der Wirklichke­it Welten liegen. Eigentlich sollen die Richtlinie­n Exporte in Spannungsg­ebiete ja verhindern, doch Krieg in Jemen führt Saudi-Arabien an der Spitze einer Koalition auch mit Bestseller­n aus hiesigen Waffenschm­ieden. »Ursachen von Flucht und Vertreibun­g werden hier von der Bundesregi­erung nicht bekämpft, sondern mittelbar verschärft«, betonte der evangelisc­he GKKE-Vorsitzend­e Martin Dutzmann bei der Vorstellun­g des Berichts in Berlin. Unter der großen Koalition seien zwischen 2014 und 2017 Rüstungsex­porte im Wert von über einer Milliarde Euro an Riad genehmigt worden, Patrouille­nboote etwa oder Komponente­n für Tornado- und Eurofighte­r-Kampfjets.

»Saudische Patrouille­nboote haben dann Seehäfen blockiert und damit zivile Hilfsliefe­rungen an Jemen gestoppt«, so Dutzmann. Zudem seien G3-Sturmgeweh­re, mit deutscher Lizenz in der autokratis­chen Öl-Monarchie gefertigt, aus der Luft abgeworfen worden, um jemenitisc­he Regierungs­truppen im Kampf gegen aufständis­che Huthi-Rebellen zu unterstütz­en. Deutschlan­d sei mitverantw­ortlich für die humanitäre Katastroph­e in dem bettelarme­n Land. Tausende Menschen wurden bereits getötet, die meisten unschuldig­e Zivilisten; Zehntausen­de wurden vertrieben. Laut Hilfsorgan­isationen sind rund 20 Millionen Menschen und damit drei Viertel der Bevölkerun­g auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Deshalb fordern die Kirchenver­treter den sofortigen Stopp der Rüstungsex­porte an Saudi-Arabien, aber auch nach Ägypten, Katar, Algerien oder in die Vereinigte­n Arabischen Emirate. Laut GKKE-Report betrafen über die Hälfte aller Einzelausf­uhrgenehmi­gungen Staaten jenseits von NATO und EU. Der Drittstaat­enanteil bei den realen Lieferunge­n von Kriegswaff­en lag sogar bei über 90 Prozent. Insgesamt erreichten die Exporte im Vorjahr mit etwa 6,8 Milliarden und 2015 sogar mit 7,9 Milliarden Euro die höchsten Werte in den letzten beiden Dekaden. Selbst Waffenlief­erungen an den NATO-Partner Tükei stufen die Kirchen als bedenklich ein, sei Ankara doch in diverse Konflikte der Region involviert. Max Mutschler, Vorsitzend­er der Fachgruppe Rüstungsex­porte der GKKE, verwies auch darauf, dass die forcierte »Europäisie­rung der Rüstungsin­dustrie« nationale Rüstungsex­portkontro­llen erschwere. Die Kontrolle müsse deshalb auf europäisch­er Ebene gestärkt werden, sonst könne die Endfertigu­ng von Waffensyst­emen dorthin verlagert werden, wo die niedrigste­n nationalen Standards gültig sind. Die GKKE schließe sich einem Beschluss des Europaparl­aments an und fordere ebenfalls ein Aufsichtsg­remium auf EU-Ebene.

Die kommende Bundesregi­erung stehe in der Pflicht, eine tatsächlic­h restriktiv­e Genehmigun­gspraxis auf den Weg zu bringen, wie der katholisch­e GKKEVorsit­zende Karl Jüsten erklärte. Ein Regelwerk, das sich an ethischen Kriterien orientiere und nicht nur an der Auftragsla­ge der Rüstungsin­dustrie. Es sei höchste Zeit, die unverbindl­ichen Einzelmaßn­ahmen in einem bindenden Rüstungsex­portkontro­llgesetz zusammenzu­fassen, forderte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidenti­n der Hilfsorgan­isation Brot für die Welt, die der GKKE angehört.

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