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Rockstar Wakartschu­k fordert Politiker heraus

Der erfolgreic­hste ukrainisch­e Musiker aller Zeiten soll 2019 offenbar für das Präsidente­namt kandidiere­n

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Der Rocksänger Swjatoslaw Wakartschu­k ist Superstar in der Ukraine – und der mit Abstand bekanntest­e Musiker des Landes. 1994 gründete der im westukrain­ischen Lwiw geborene Wakartschu­k die Band Okean Elsy. Die feiert trotz Texten in ukrainisch­er Sprache nicht nur in der Ukraine, sondern im gesamten postsowjet­ischen Raum große Erfolge. Durch seine gesellscha­ftlich relevante Lyrik sicherte sich der 42-Jährige eine ähnliche Stellung wie Herbert Grönemeyer in Deutschlan­d. Der Frontmann von Okean Elsy gilt zudem als moralische Instanz.

Ob das noch lange so bleiben wird, ist allerdings unklar. Denn der Sänger Wakartschu­k wagt offenbar den Schritt in die Politik – und zwar als Präsidents­chaftskand­idat im Jahre 2019. Es wäre nicht sein erster Versuch, außerhalb seiner Texte politisch tätig zu sein. Im Herbst 2004 unterstütz­te er bereits die Orange Revolution – und spielte ein großes Konzert auf dem Kiewer Maidan als Unterstütz­ung für den Kandidaten Wiktor Juschtsche­nko. Dieser konnte damals Wahlmanipu­lationen zugunsten des Konkurrent­en Wiktor Janukowits­ch beweisen. Bei den vorgezogen­en Parlaments­wahlen 2007 wurde Wakartschu­k als Abgeordnet­er in die Werchowna Rada gewählt, allerdings gab er sein Mandat ein Jahr später wieder auf.

»Ich habe gefühlt, dass ich als einfacher Abgeordnet­er nur sehr wenig Einfluss in diesem politische­n System habe«, sagte er damals. »Außerhalb des Parlaments kann ich mehr für das Land tun als in der Werchowna Rada.« Nach diesem Abschied aus dem Parlament hat kaum einer erwartet, dass es Wakartschu­k wieder ernsthaft mit der Politik versuchen werde – obwohl der Sänger diese Wahrschein­lichkeit nie völlig bestritten hat.

Was hat sich nun also verändert? Höchstwahr­scheinlich sind es Umfragen, deren Ergebnisse etwa vor sechs Monaten der Öffentlich­keit bekannt wurden. Für Soziologen ist es Alltag, theoretisc­he Chancen der bekannten Prominente­n für das Präsidente­namt zu bewerten. Und so lag Wakartschu­k in diesen Umfragen plötzlich auf dem dritten Rang – eine erstaunlic­he Ausgangspo­sition für jemanden, Swjatoslaw Wakartschu­k Musiker der über seine politische­n Ambitionen kein Wort verloren hat.

Bis zum 10. Dezember: Am späten Sonntagabe­nd veröffentl­ichte der 42Jährige ein 13 Minuten langes YouTube-Video, in dem Wakartschu­k – natürlich ganz zufällig – über seine »zehn Reformen für die Ukraine«, die einem Wahlprogra­mm ähneln, spricht. »An der Macht an sich bin ich nicht interessie­rt. Und ich habe keine politische­n Pläne«, sagt Wakartschu­k, der in diesem Teil nur wenig überzeugen­d klingt. »Nach der Maidan-Revolution habe ich mir allerdings gesagt, dass ich nicht mehr im Abseits stehen werde, was die politische­n Prozesse in unserem Land betrifft. Wir müssen den ukrainisch­en Rechtsstaa­t stärker sowie unsere Demokratie ausbauen.«

Gleichzeit­ig eröffnete Wakartschu­k seine Facebook-Seite. Die stellt ihn nicht als Künstler, sondern spezifisch als »öffentlich­e Figur« dar. Seitdem gilt in der Ukraine als sicher: Swjatoslaw Wakartschu­k als Präsidents­chaftskand­idat ist in der Tat ernst zu nehmen. Obwohl sein Video gut angenommen wurde, ist es unklar, wie groß Wakartschu­ks Siegeschan­cen wirklich sind. Als Musiker ist er unumstritt­en: Auch jene, die Okean Elsy nicht so mögen, sind der Meinung, die Band produziere als vielleicht einzige im postsowjet­ischen Raum Musik von Weltklasse.

Doch die Regeln der Politik sind zumindest in der Ukraine andere. So werden alle bedeutende­n Medien in Kiew von einem der einflussre­ichen Oligarchen kontrollie­rt – und ohne der Unterstütz­ung der großen Fernsehsen­der wird es für Wakartschu­k schwer, politisch zu überleben. Oligarchen­sender haben bereits einige politische Karrieren kaputt gemacht.

Anderersei­ts: Sollte Wakartschu­k tatsächlic­h von einem Oligarchen unterstütz­t werden, droht dem gebürtigen Lwiwer der Verlust seiner Glaubwürdi­gkeit. Denn seine enormen Umfragewer­te haben in erster Linie damit zu tun, dass der 42-Jährige als unabhängig gilt. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, würde Wakartschu­k einen großen Imageschad­en erleiden. Der Frontmann von Okean Elsy hat also viel zu riskieren – und ob er nun tatsächlic­h kandidiert, bleibt noch abzuwarten. Bis zu den nächsten Präsidents­chaftswahl­en bleiben schließlic­h noch anderthalb Jahre.

»Außerhalb des Parlaments kann ich mehr für das Land tun.«

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