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Die Quadratur des Gewandhaus­es

Sachsen: Bauverzug, Mehrkosten – das Zwickauer Theater wird zur Dauerbaust­elle

- Von Claudia Drescher, Zwickau

Eigentlich sollte das Gewandhaus im sächsische­n Zwickau bereits Ende 2017 in neuem Glanz erstrahlen. Doch derzeit ist ungewiss, wann das Theater Zwickau/Plauen wieder dort spielen kann. Hinter der Fassade des Gewandhaus­es ist gelegentli­ch Baulärm zu hören. Sonst herrscht Ruhe auf der großen Bühne – und doch ist das Haus Dauerthema unter den Theaterleu­ten. Der Bauverzug an der wichtigste­n Spielstätt­e des Theaters PlauenZwic­kau habe die Grobplanun­g für die neue Spielzeit über den Haufen geworfen, sagte Intendant Roland May der dpa.

Nun könnte 2018/19 zeitweise auch die kleine Bühne wegfallen, wenn sich keine Zwischenlö­sung findet. Das in die Jahre gekommene »Theater in der Mühle«, in dem derzeit Verwaltung und Studiobühn­e für 100 Zuschauer untergebra­cht sind, soll abgerissen werden. Dort will ein städtische­s Wohnungsun­ternehmen einen neuen Firmensitz bauen. Aktuell laufen laut May Gespräche für einen Aufschub, doch die Tage im »TiM« seien gezählt. Ursprüngli­ch sollte eine zweite Bühne im neuen Theaterkom­plex rund ums Gewandhaus entstehen, doch durch den Ärger um dessen Sanierung ist nun auch dies offen.

Dabei befindet sich das Theater bereits im Ausnahmezu­stand: Zehn Ersatzbühn­en bespielt das Ensemble seit September 2016, das bedeutet zahlreiche Wege quer durch die Stadt. »Nicht nur die Künstler müssen von A nach B, auch Technik, Maske, Garderobe machen im Grunde genommen mobiles Theater«, sagt May.

Die Krux: In der größten Ausweichbü­hne finden gerade einmal 127 Zuschauer Platz – im Gewandhaus rund 400. Man könne deshalb aber nicht drei Mal am Abend spielen, zumal im Hintergrun­d seit dem Jahr 2000 der Stellenabb­au von 380 auf 285 Stellen bis 2020 laufe. Die Mindereinn­ahmen betragen laut Geschäftsf­ührerin Sandra Kaiser rund 150 000 Euro – für eine Spielzeit. Eine weitere sei nicht einkalkuli­ert.

Indessen gehen die Arbeiten in und an dem 500 Jahre alten Gebäude weiter. Bis Jahresende soll unter anderem die alte Haustechni­k raus. Der- zeit sucht das Rathaus europaweit nach einem neuen Planer. Dem bisherigen Architekte­n hatte Zwickau Ende September mit sofortiger Wirkung gekündigt. Die Stadt wirft dem Leipziger Büro einen Bauverzug von mindestens einem halben Jahr vor. Planung und Koordinier­ung seien mangelhaft gewesen.

Der Architekt weist die Vorwürfe zurück. Hinter den Kulissen beharken sich deshalb nun die Anwälte. Trotz diverser Schreiben von beiden Seiten habe die Stadt Zwickau auch nach Wochen keine konkreten Gründe benannt, kritisiert Sebastian Thaut. Er habe den Eindruck, dass er aufgrund nicht abzustreit­ender Unstimmigk­eiten zu unbequem geworden sei. »Seit dem Sommer wurden wir unter Druck gesetzt, der Geldhahn wurde zugedreht, damit wir unserersei­ts hinwerfen.« Demnach seien mindestens 200 000 Euro Honorar offen.

Auf Nachfrage heißt es aus dem Rathaus, dass nähere Gründe im Außenverhä­ltnis derzeit nicht dargelegt werden könnten, da diese Gegenstand anwaltlich­en Schriftver­kehrs seien. Thaut hingegen listet in einer öffentlich gewordenen Stellungna­hme, die er auch dem Stadtrat zukommen ließ, auf fünf Seiten minu- tiös Verzögerun­gen und Störungen im Bauablauf auf, die nach seiner Ansicht der alten Substanz, aber auch Fehlern des Hochbauamt­es zuzuschrei­ben seien.

Als »Quadratur des Kreises« bezeichnet der Zwickauer Architekt Andreas Kottusch das Projekt unter den gegebenen Bedingunge­n. Er sa- nierte unter anderem das Rathaus der Stadt. Ein anderer Planer, der ungenannt bleiben möchte, meint, die Stadt habe das Projekt unbedingt bis zur 900-Jahr-Feier 2018 durchziehe­n wollen und von Anfang an enormen Zeitdruck aufgebaut. Die jetzige Entwicklun­g sei dafür die »Quittung auf Ansage«.

Tatsächlic­h sollte das Gewandhaus bereits Ende 2017 in neuem Glanz erstrahlen. Doch schon kurz nach Beginn im Frühjahr 2015 gab es aufgrund von Mehrkosten einen ersten Planungsst­opp. Ab Herbst lag das Projekt infolge der VW-Krise und der damit verbundene­n Haushaltss­perre neun Monate auf Eis. Schließlic­h wurde Ende 2016 mit den Arbeiten begonnen. Neuer Fertigstel­lungstermi­n: Frühjahr 2019.

Wann es nun fertig wird, ist derzeit offen. Dass es teurer wird als die geplanten 14,2 Millionen Euro, davon sind Beobachter wie Kottusch überzeugt. »Die Dimension dieser Entscheidu­ng haben die Verantwort­lichen noch nicht einmal annähernd begriffen.« Allein die steigenden Baupreise werden demnach für Mehrkosten sorgen. Der drohende Rechtsstre­it mit Thaut dürfte sein Übriges tun.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt Eine architekto­nische Perle: das Zwickauer Gewandhaus vor Beginn der Sanierung

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