nd.DerTag

Tanz um die Linde auf Bremer Art

Privatinte­resse versus Öffentlich­keit an der Weser

- Von A. Cäcilie Bachmann, Bremen

Ist es sinnvoll, die Ressorts Bauen und Umwelt in einem SenatorenR­evier unterzubri­ngen? Diese Frage wird in Bremen zunehmend gestellt. So steht der grüne Senator Joachim Lohse, in dessen Zuständigk­eit neben Umwelt und Bau auch der Verkehr gehört, regelmäßig in der Kritik von Akteuren einer der drei Seiten.

Die Situation gipfelte jetzt in einem skurrilen Vor-Ort-Termin des Senators: Persönlich begutachte­te er auf einem angehenden Baustellen­grundstück­s auf Privatgelä­nde eine Linde, über die er als Umweltsena­tor zu entscheide­n hat: fällen oder nicht. Was Lohse vor laufenden Kameras gleich vor Ort tat. Obwohl die Baubehörde aus Lohses Ressort keine Beanstandu­ngen an den eingereich­ten Plänen inklusive Lindenfäll­ung hatte, entschied der Senator, der Baum solle bleiben.

Was allerdings nicht viel heißt, denn in der Vergangenh­eit sind in der Weserstadt Bremen häufiger unter Schutz stehende Bäume gefällt worden. Und im Nachhinein hieß es dann, die Baubehörde habe vom Schutzstat­us nichts gewusst – manchmal nicht einmal von der Existenz eines oder mehrerer Bäume auf dem betreffend­en Grundstück.

Im aktuellen Fall – die Linde steht vor dem katholisch­en Krankenhau­s St.-Joseph-Stift – war die Seele der Stadtteilb­evölkerung, zu der viele Grünen-Wähler gehören, gefährlich hochgekoch­t. Die Causa wurde zu einem Lieblingst­hema der örtlichen Presse und dann zum Stadtgespr­äch. Den Baum erhalten oder abholzen – der Streitpart­eien werfen sich gegenseiti­g vor, Unwahrheit­en oder Halbwahrhe­iten zu verbreiten und führen jeweils eigene Beweise an.

Wer hier jedoch nur eine »mein Freund der Baum«-Nummer vermutet, liegt nicht ganz richtig. Denn es geht um das große Ganze eines Gemeinwese­ns: Privatinte­resse versus Öffentlich­keit. Wobei es sogar drei Seiten mit Privatinte­ressen gibt. Da ist einmal der Senator selbst, der im Grunde kurz vor dem Wahlkampf zur Bremer Bürgerscha­ftswahl in knapp anderthalb Jahren steht. Entspreche­nd wirkte sein überrasche­nder Lokaltermi­n auf dem Krankenhau­sgelände mit Pressebegl­eitung auch etwas übertriebe­n plakativ.

Eine weitere Seite mit Eigeninter­esse ist die Krankenhau­s-Gesellscha­ft. Die Klinik genießt in der Bevölkerun­g einen guten Ruf. Und sie expandiert nach innen, plant auf eigenem Gelände ein neues Ärztehaus, wodurch auch das »Linden-Problem« entstand. Zum erfolgreic­hen Expandiere­n braucht es aber auch weiterhin einen guten, irgendwie an Gesundheit erinnernde­n Ruf, um die Gunst der Patienten nicht zu verspielen. Dazu kommt das Seriosität suggeriere­nde christlich­e Image im Hintergrun­d, dem sinnloses Abhacken einer gesunden Linde schaden würde.

Und schließlic­h ist da das beauftragt­e Architektu­rbüro, das in seiner Begründung für den Plan, den einzelnen Baum abzuholzen, auch die Eitelkeit des Architekte­n deutlich werden lässt. Denn die Linde steht nicht dem Gebäude selbst im Wege, sondern dem »Auftritt des Gebäudes«. Der Baum, der Schatten spendet und ein bisschen für frischere Luft sorgt, würde eben auch ein bisschen die Sicht auf das neue Gebäude behindern – und dessen vom Architekte­n als perfekt erachtete Gestaltung nicht voll zur Geltung bringen.

Böse Zungen unterstell­en manchem in der Klinikleit­ung, es ebenso zu sehen und die Linde opfern zu wollen, um der vorbei fahrenden Kundschaft in spe mit dem neuen Gebäude zu imponieren.

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