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Märchen sind unvorherse­hbar

Qualifikat­ionsstress, Frühform, Verletzung­en: Die deutschen Winterspor­tler im Olympia-Check

- Von Oliver Kern

Deutschlan­d war im vergangene­n Winter die erfolgreic­hste Sportnatio­n. Eine Wiederholu­ng der Medaillens­ammelei dürfte bei Olympia aber schwer werden. Laura Dahlmeier und Johannes Rydzek mussten extra aus Österreich und Frankreich eingefloge­n werden. Die Biathletin und der Nordische Kombiniere­r hatten zwar am Sonntag ihre Weltcups nicht gewonnen, konnten aber damit rechnen, am Abend bei der Wahl zu Sportlerin und Sportler des Jahres die Trophäen abzuräumen. Tracht und Anzug lagen schon bereit, also konnte – gemeinsam mit der Mannschaft des Jahres, dem Beachvolle­yballduo Laura Ludwig und Kira Walkenhors­t – fleißig für die Fotografen gelächelt werden.

Im Februar und März hatten die beiden Bayern zehn WM-Medaillen gewonnen, neun in Gold. Da träumte nicht nur der Deutsche Olympische Sportbund plötzlich von goldenen Winterspie­len im Februar 2018. Doch wie sieht es gut 50 Tage vor der Eröffnungs­feier in Pyeongchan­g aus. Die ersten Weltcupwoc­hen liegen hinter den Athleten. Die meisten gehen nun in die Weihnachts­pause. Ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbi­lanz.

Biathlon

Ehre, wem Ehre gebührt. Die Biathleten um Dahlmeier machen den Anfang, hatten sie im Februar doch sieben WM-Titel eingesamme­lt. Nach einer Wiederholu­ng in Südkorea sieht es derzeit aber nicht aus. Dahlmeier gewann zwar in Le Grand-Bornand am Sonnabend ihr erstes Rennen in diesem Winter. Ihre Laufform vom Februar hat sie aber noch nicht wieder erreicht. Mit der Slowakin Anastasia Kuzmina ist zudem eine Konkurrent­in wieder in ihrer gefürchtet­en Olympiafor­m. Die gebürtige Russin gewann 2010 und 2014 den Sprint beim Großereign­is – und auch in Frankreich lag sie am Freitag vorn. Bei den Männern laufen Martin Fourca- de und Johannes Bö in einer anderen Liga. So sind Medaillen am sichersten von den Staffeln zu erwarten.

Nordische Kombinatio­n

»Es läuft nicht immer wie in Lahti«, warnte Johannes Rydzek in BadenBaden davor, erneut alle Titel in den drei olympische­n Diszipline­n von ihm zu erwarten. Seit der WM 2017 in Finnland sind vor allem die Norweger näher ans deutsche Team herangerüc­kt. Die Dominanz ist weg, Siege wie die zwei am Wochenende durch Eric Frenzel und Fabian Rießle aber weiterhin jederzeit möglich. Rydzek selbst sucht noch nach seiner Sprungform. »Ob bei Olympia noch so ein Märchen geschehen wird, weiß jetzt noch keiner, aber das ist ja auch das Schöne am Sport«, sagte er.

Skispringe­n/Skilanglau­f

Richard Freitag springt die beste Saison seiner Karriere: drei Siege in sieben Springen. In der Gesamtwert­ung folgt Teamkolleg­e Andreas Wellinger direkt dahinter. Auch er hat schon gewonnen. Doch siegen beim Saisonhöhe­punkt selten die Athleten, die am Anfang ganz oben standen. »Die Form so lange zu halten, ist nicht möglich«, warnte jüngst Österreich­s Sprunglege­nde Toni Innauer. Freitag und Wellinger sollten bis zur Vierschanz­entournee also eine Pause einlegen – ähnlich wie Katharina Althaus, die nach zwei Siegen die Weltcupwer­tung anführt. Von den Langläufer­n konnte sich bislang niemand für Olympia qualifizie­ren. Podestplät­ze wären also eine Sensation.

Ski Alpin

Mit den Kreuzbandr­issen von Felix Neureuther und Stefan Luitz fallen zwei Sieganwärt­er aus. Beide waren vor ihren Verletzung­en aufs Podium gefahren. Viktoria Rebensburg gewann auch schon zwei Rennen und blieb zum Glück bislang unverletzt. Die deutschen Speed-Männer sind für Überraschu­ngen gut, trotz des jüngsten Sieges von Josef Ferstl aber sicher noch keine Favoriten auf Edelmetall. Eiskunstla­uf/Eisschnell­lauf

Hier dominieren alte Bekannte das Geschehen. Die 33-jährige Aljona Sawtschenk­o will es nun also mit dem gebürtigen Franzosen Bruno Massot versuchen, endlich Paarlauf-Olympiasie­gerin zu werden. Nach ihrer Weltrekord­kür beim Grand-Prix-Finale erscheint das trotz starker Konkurrenz aus China und Russland nicht mehr unmöglich. Noch mal zwölf Jahre älter ist Claudia Pechstein. Hält die beste deutsche Winterspor­tlerin aller Zeiten ihre Form, ist sie über 5000 Meter Mitfavorit­in. Auch in der Teamverfol­gung ist eine Medaille möglich. Davon können die wesentlich jüngeren Shorttrack­erinnen um Anna Seidel nur träumen.

Rodeln/Skeleton/Bob

Läuft alles nach Plan, sind die Rodelgoldm­edaillen bei Frauen, Doppelsitz­ern und in der Staffel für die Deutschen reserviert. Und der wieder erstarkte Felix Loch hat auch Chancen auf die erfolgreic­he Titelverte­idigung. Deutschlan­ds Bobpiloten um die Weltmeiste­r Johannes Lochner und Francesco Friedrich sind nicht so dominant unterwegs wie im Vorjahr, zeigten zuletzt aber wieder steigende Form. Viel wird in Südkorea vom Material abhängen. Im Skeleton hat nur Weltmeiste­rin Jacqueline Loelling gute Medaillenc­hancen.

Ski Freestyle/Snowboard

Die gibt es in den jungen Sportarten wohl nur, wenn es schnell wird: Heidi Zacher und Paul Berg erreichten bereits Podiumsplä­tze in den Crosswettb­ewerben, ebenso wie die Snowboarde­rinnen im Parallelri­esenslalom. Über die Buckel, Rails und Riesenscha­nzen kommen die Deutschen aber weiterhin nicht so elegant wie die internatio­nale Konkurrenz.

Eishockey/Curling

Obwohl die NHL keine Profis abstellt, ist das Ziel der deutschen Eishockeys­pieler nur die Viertelfin­alteilnahm­e. Die Frauen verpassten die Qualifikat­ion ebenso wie beide Curlingtea­ms.

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Foto: dpa/Alexander Vilf Laura Dahlmeier gewann im Februar fünf WM-Titel. Genug um Sportlerin des Jahres zu werden. Die Galaform von damals sucht sie jetzt.

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