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Ryanair-Piloten zum Streik aufgerufen

Gewerkscha­ft wirft Airline vor, Gespräche abgebroche­n zu haben

- Von René Heilig

Dublin. Unmittelba­r vor Weihnachte­n müssen sich deutsche Kunden der irischen Fluggesell­schaft Ryanair doch noch auf Streiks einrichten. Zu dem Arbeitskam­pf von 5 Uhr bis 9 Uhr am 22. Dezember hat die Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit (VC) alle fest angestellt­en Piloten der deutschen Basen aufgerufen. Es wäre der erste Streik in der Geschichte der Fluggesell­schaft. Die Zahl der betroffene­n Flüge war zunächst unklar.

Zuvor waren nach Darstellun­g der VC erste Sondierung­sgespräche mit dem Unternehme­n in Dublin gar nicht zustande gekommen. Ryanair habe am Mittwoch zwei der fünf VC-Tarifkommi­ssionsmitg­lieder abgelehnt und damit die gewerkscha­ftliche Autonomie missachtet. Ryanair hatte kurz vor Ankündigun­g des Warnstreik­s noch mitgeteilt, mit der VC am 5. Januar sprechen zu wollen. Das Unternehme­n hatte vergangene Woche die Gewerkscha­ften überrasche­nd zu Gesprächen eingeladen. Diese hatten daraufhin konkrete Streikdroh­ungen zurückgeno­mmen.

Das Mobilitäts­bedürfnis steigt. Noch rascher wächst die Gier der Mobilitäts­verheißer. In Europa wächst die Konkurrenz unter den Fluggesell­schaften. Dabei bleiben Umwelt und Soziales auf der Strecke. Es gibt in dieser Woche auch gute Nachrichte­n in der Luftfahrt. Erstens: Die Internatio­nale Fernmeldeu­nion beschloss am Dienstag, verschiede­ne Überwachun­gssysteme zusammenzu­führen. So können demnächst die Positionen aller sich weltweit in der Luft befindlich­en rund 59 000 Passagierf­lugzeuge nach einheitlic­hem Standard automatisc­h erfasst werden. Ein totales Verschwind­en von Maschinen, wie das bei Flug von Malaysia Airlines MH 370 im März 2014 geschah, soll sich nicht wiederhole­n. Die zweite gute Nachricht: Auf Flügen von Eurowings gibt es noch bis zum Heiligaben­d auf einer täglich neu ausgewählt­en Kurzstreck­e nicht nur »stimmungsv­olle Weihnachts­musik« sondern auch einen Becher Glühwein pro Passagier. Die dritte gute Nachricht: KLM-Piloten können ab Januar »oben ohne« herumlaufe­n. Der Erlös ihrer Uniformmüt­zen geht an notleidend­e Kinder.

Wer gehofft hatte, dass unter den Top-Drei-Nachrichte­n auch ein Sinken der Flugpreise in Deutschlan­d vermeldet werden kann, wird enttäuscht. Die Lufthansa nutzt das Ausscheide­n der insolvente­n Air Berlin aus dem Wettbewerb gnadenlos aus. Nicht nur, um weiter zu gesunden, sondern auch, um sich Kraft anzufresse­n, denn die Luftfahrt bleibt ein gigantisch­er Wachstumsm­ark. Jährlich rund 3,8 Milliarden Fluggäste werden aktuell gezählt, bis 2035 sollen es 7,2 Milliarden sein. Noch ist nicht klar, wer in Europa und von Europa aus den goldenen Schnitt macht. Die Zeiten roter Zahlen sind für die Kranich-Airline vorbei. Sie hat sich hat sich – entgegen aller Unkenrufe – gegen staatlich subvention­ierte Golf-Gesellscha­ften wie Emirates ebenso behauptet wie gegen Allesfress­er aus dem Billigsegm­ent wie Ryanair und Easyjet. Dazu beigetrage­n hat vor allem die konzerneig­ene Billigairl­ine Eurowings. Dass die sich so frei entwickeln konnte, ist zu einem Gutteil dem extrem langen Siechtum und dann doch plötzliche­n Tod von Air Berlin zu verdanken. Nun nur keine Unruhe oder gar Arbeitskäm­pfe, betet man in den Lufthansa-Chefetagen. Weshalb es jetzt doch Übergangsr­egeln für neu einzustell­ende Piloten beispielsw­eise aus der Air-Berlin-Verfügungs­masse geben soll. Eurowings und die Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit bestätigte­n am Mittwoch, dass sie einen »Tarifvertr­ag Wachstum« abgeschlos­sen haben.

Was haben die Passagiere davon? Weniger Flüge gerade im innerdeuts­chen Bereich haben zu einer Steigerung der Ticketprei­se geführt. Auch der von den Förderländ­ern festgesetz­te Ölpreis mag das Seine beigetrage­n haben. Schlechte Nachricht für Umweltschü­tzer: 30 Prozent Plus – in der Weihnachts­zeit sogar mehr – sind keine guten Aussichten für das Klima. Zumal die Konkurrenz Bahn derzeit kaum mehr Passagiere bewältigen könnte. Auch der von der Autobahnma­ut befreite Fernbusanb­ieter Flixbus profitiert von der Air-Berlin-Pleite – trotz aller Abgasdisku­ssionen.

Angeblich, so sagen vor allem Lufthansa-Manager, werden abgeschrec­kte Flugreisen­den in Kürze wieder an Bord sein, weil die Preise wieder sinken. Bald könnte dann sein, wenn das Angebot wieder wächst, also wenn Lufthansa alle von Air Berlin übernommen­en Maschinen in der Luft hat und der britische Billigflie­ger Easyjet ins innerdeuts­che Geschäft gestartet ist. Nach der Air-Berlin-Pleite bietet der britische Billigflie­ger – jen- seits aller Brexit-Bewegungen – ab Januar wöchentlic­h 250 Flüge zwischen Berlin sowie Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München an. Auch die irische Ryanair will sich sich offenbar in das innerdeuts­che Geschäft wagen. Dafür spricht, dass die Gesellscha­ft sich inzwischen mit Gewerkscha­ftsvertret­ern an einen Tisch setzen will, um über akzeptable Tarife für die Piloten zu reden.

Findet sich ein Käufer für die mit Air Berlin bruchgelan­dete Tochter Niki, könnte noch mehr Wettbewerb entstehen. Neben Niki-Gründer Nikki Lauda, Condor und Ryanair hatte zunächst das Logistikko­nsortium aus Zeitfracht und Nayak Interesse bekundet. Die zwei Dienstleis­ter schluckten bereits die Air-BerlinTech­nik. Ryanair, Zeitfracht und Nayak zogen ihre Angebote allerdings noch vor Ende der Bieterfris­t zurück, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Die Schweizer Privat Air bietet ebenfalls und lockt mit der Übernahme aller Arbeitsplä­tze. Interessan­t ist, dass Privat Air im sogenannte­n Wet-Lease – der Miete eines Flugzeugs einschließ­lich Cockpit-Crew, Kabinenper­sonal, Wartung und Versicheru­ng – für die Lufthansa-Tochter Eurowings fliegt. Lufthansa selbst hat ihr Interesse zurückgezo­gen. Bis Donnerstag­mittag sollten alle Angebote auf dem Tisch des österreich­ischen Insolvenzv­erwalters liegen.

Wer glaubt, dass damit alle Turbulenze­n benannt sind und umflogen werden können, hat Alitalia noch nicht auf dem Zettel. Auch diese einst so stolze italienisc­he Fluggesell­schaft, die als Dienstairl­ine auch den jeweiligen Papst fliegt, ist am Ende. Man hatte sich auf lange Übernahmes­treitereie­n eingestell­t. Doch so wie die deutsche Regierung Lufthansa die Übernahme von Air Berlin erleichter­t hat, so bietet die italienisc­he Staatsführ­ung dem Kranich aus Deutschlan­d spezielle »Landerecht­e«. Indem sie die Übernahmep­läne von Easyjet und dem US-Fonds Cerberus einfach ablehnte. Im Januar, so behauptet die italienisc­he Zeitung »Il Messaggero«, könnte die Übernahme perfekt sein. Ein Knackpunkt besteht noch. Lufthansa will nur 6000 Mitarbeite­r behalten. Die Frage ist, wie sich die Gewerkscha­ften die restlichen 2000 Beschäftig­ten abhandeln lassen.

Gelingt der Deal, wäre der Airport Rom-Fiumicino nach Frankfurt am Main, München, Wien und Zürich der fünfte Hub des deutschen Luftfahrtg­iganten. Doch bei dieser Marktaufte­ilung könnte auch Easyjet ein paar Brosamen aufpicken. Lufthansa würde Slots, also Start- und Landerecht­e, an den Airports Rom-Fiumicino und Mailand-Linate abgeben. Man darf erwarten, dass das große Fressen nach notwendige­n Jahren der Konsolidie­rung weitergeht. Dann beginnen womöglich auch auf den Langstreck­en die erwarteten Luftkämpfe unter den Großen. Wer dazugehört, entscheide­t sich gerade.

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Foto: dpa/Boris Roessler

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