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»Das Regime greift alle an, die sich wehren«

Kanha Chhun kämpft aus Deutschlan­d gegen das Verbot der größten kambodscha­nischen Opposition­spartei

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In Kambodscha ist die größte Opposition­spartei »Cambodia National Rescue Party« (CNRP) verboten worden. Was waren deren politische Forderunge­n?

Sie wollte Freiheit für alle in Kambodscha. Sie unterstütz­e Menschen, die arm waren, weil sie keine Arbeit fanden. Sie engagierte sich für Umweltakti­visten, sowie für Menschen, die von Landraub betroffen sind. Ihr Wahlslogan lautete: »Wir nehmen alle ernst, Arm oder Reich«.

Ist das mehr als Wahlpropag­anda einer Opposition­spartei?

Nein, denn die Partei beteiligt sich an Organisier­ungsprozes­sen der Bevölkerun­g. Sie unterstütz­te Arbeiterin­nen, denen der Lohn vorenthalt­en wurde. Parteiakti­visten gingen zu den Chefs oder organisier­ten Demonstrat­ionen. Sie halfen Arbeitern bei der Organisier­ung und klärten sie über ihre Rechte auf.

Was bedeutet das Verbot für die für diese Partei gewählten Mitglieder und Mandatsträ­ger?

118 gewählte Mandatsträ­ger des kambodscha­nischen Parlaments und circa 5000 Lokalpolit­iker ist es für fünf Jahren verboten, sich politisch zu engagieren. Viele CNRP-Mitglieder sind aus dem Land geflohen und organisier­en aus dem Ausland Proteste gegen die Politik des Ministerpr­äsidenten Hun Sen. In Kambodscha würden sie verhaftet werden, einige Opposition­elle wurden auch ermordet.

Sie wollen die Demokratie in Kambodscha retten. Ist die aber nicht längst durch den Langzeithe­rrscher Hun Sen abgeschaff­t worden?

Drei Millionen Menschen haben bei den letzten Wahlen für die CNRP gestimmt. Sie akzeptiere­n das Verbot nicht, für sie ist die Demokratie nicht tot. Sie fordern die Umsetzung des Friedensve­rtrags von 1991, der unter den Augen der UN zwischen Regierung und Opposition abgeschlos­sen wurde. Die CNRP hätte die Wahlen längst gewonnen, wenn sie nicht gefälscht geworden wären. So standen Tote im Wahlregist­er. Opposition­elle wie ich und viele andere mussten fliehen und durften nicht wählen.

Welche politische Kräfte gibt es neben der nun verbotenen CNRP?

Es gibt einige Nichtregie­rungsorgan­isationen und Graswurzel­bewegungen. Aktivisten wie Kem Lay oder Chea Vichea haben den Menschen beigebrach­t, wie sie sich selbstbest­immt organisier­en und für ihre Rechte kämpfen können. Deshalb wurden sie vom Hun-Seng-Regime ermordet. Freie Radiostati­onen wie Radio Free Asia oder Daily Cambodia wurden vom Regime angegrif-

Kanha Chhun ist in Shihanoukv­ille, Kambodscha geboren. Die heute 36Jährige musste im Mai 2014 vor ihrer drohenden Verhaftung fliehen. Sie lebt in Erfurt und engagiert sich bei »The Voice Refugee Forum«. Anfang Dezember protestier­te sie mit weiteren kambodscha­nischen Opposition­ellen in Berlin gegen das Verbot der größten Opposition­spartei CNRP. Mit ihr sprach für »nd« Peter Nowak. fen, ihre Journalist­en ins Gefängnis gesteckt. Auch Studierend­e haben Proteste gegen die Regierung organisier­t. Viele organisier­en sich im Alltag und nicht in großen Gruppen, damit sie nicht so schnell vom Staat angegriffe­n werden können.

Vor einigen Jahren gingen Polizei und Militär gegen Streiks in Kambodscha vor. Wie ist aktuell die Lage von Gewerkscha­ften?

Das Regime hat damals nicht nur Arbeiter angegriffe­n, sondern alle, die sich wehrten. Auch jetzt gibt es noch Arbeitskäm­pfe. Am 1. Dezember 2017 demonstrie­ren circa 4800 Arbeiter in Phnom Penh vor ihren Fabriken, weil ihr Chef die Löhne nicht vollständi­g zahlte. Es gab noch keine Angriffe des Regimes, doch es ist damit zu rechnen, wenn die Proteste weitergehe­n. Sie haben als kambodscha­nische Opposition­elle in Deutschlan­d Asyl beantragt. Wie ist Ihr Status?

Ich habe eine Aufenthalt­sgestattun­g. Schon zweimal versuchte mich das Bundesamt abzuschieb­en, was dank solidarisc­her Unterstütz­er verhindert werden konnte. Lange musste ich in einem Lager leben, das an ein Gefängnis erinnerte. Es gab Stacheldra­ht und Zäune, aber keine Heizung, keine Privatsphä­re und warmes Wasser nur mittags. Jetzt habe ich eine eigene Wohnung, in einem Erfurter Stadtteil, der für rechte Übergriffe bekannt ist. Im Alltag erlebe ich, wie viel Hass mir entgegen schlägt und wie ich von den Behörden in Deutschlan­d verfolgt werde, weil ich als Opposition­elle aus Kambodscha fliehen musste. Ich muss auch hier für mein Recht auf ein menschenwü­rdiges Leben kämpfen.

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Foto: AFP/Charly Two Beten für den Frieden, Unabhängig­keit und politische Stabilität des Königreich­s: Premiermin­ister Hun Sen (li.) lässt Opposition­elle verfolgen.
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Foto: Bernhard Schwab

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