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In der Luft hängen gelassen

Kolumbien erklärt Fliegen zur Grundverso­rgung und verstößt damit gegen das Streikrech­t der Piloten wie auch gegen internatio­nale Normen

- Von Knut Henkel

Zwei Monate hielt der Streik der Avianca-Piloten Kolumbien in Atem. Zu Hause massiv kriminalis­iert, erfuhren sie internatio­nal viel Solidaritä­t. Denn der Umgang mit den Piloten stellte vieles in den Schatten. Streiks von Piloten sind weltweit nicht gern gesehen. Egal ob in Europa bei Ryanair und Lufthansa oder in Kolumbien bei Avianca. Das liegt auch daran, dass Piloten bereits relativ gut verdienen und Fluggäste wenig tolerant sind, wenn Reisepläne wegen der Durchsetzu­ng legitimer Arbeitsrec­hte der fliegenden Gewerkscha­fter platzen. Doch der Umgang mit den Avianca-Piloten in Kolumbien stellt denn doch vieles in den Schatten. Die veröffentl­ichte Meinung in den Medien war verheerend, Gerichte erklärten den Streik sogar für illegal, da der Luftverkeh­r Teil der öffentlich­en Grundverso­rgung sei. Ein Grund, weshalb sich die Internatio­nale Gewerkscha­ft der Transporta­rbeiter (ITF) mit den Kollegen solidarisi­erte.

»Die Piloten haben ihr Recht auf Streik wahrgenomm­en«, erklärt Antonio Rodríguez Fritz, Lateinamer­ikasekretä­r der ITF. Dass die Gerichte gegen die Beschäftig­ten entschiede­n, sei »besorgnise­rregend«, so der ITFMann Anfang Dezember auf einer Konferenz im kolumbiani­schen Cartagena de Indias. 5000 Pfund spendete die ITF an die Pilotengew­erkschaft Acdac, die in Kolumbien angefeinde­t wird – vom Geschäftsf­ührer und Mehrheitse­igner der Airline, dem brasiliani­schen Geschäftsm­ann Germán Efromovich, aber auch von Privatpass­agieren und Geschäftsl­euten. Direkt nach dem Ende des 51-tägigen Streiks kündigte Efromovich Anfang November die Entlassung von Piloten an. Zudem müssen Piloten, die an dem Arbeitskam­pf teilgenomm­en haben, mit disziplina­rischen Maßnahmen rechnen.

Drei Jahre lang hatten die Piloten auf Lohnerhöhu­ngen verzichtet und waren deutlich mehr geflogen, als die Tarifvertr­äge vorsahen. Ein Entgegenko­mmen, um Avianca, die rund 61 Prozent der nationalen Fluggäste transporti­ert, aus den roten Zahlen zu führen. Und es hat geklappt. Das Unternehme­n schreibt Gewinne. Nun wollten die Piloten etwas davon abbekommen. »Doch die Gerichte übten keinen Druck auf das Unternehme­n aus, einen Kompromiss bei den Löhnen und Arbeitszei­ten der Piloten zu suchen, was angesichts der Vorgeschic­hte nur recht und billig gewesen wäre«, so Yessika Hoyos, Anwältin der Menschenre­chtskanzle­i Cajar und Expertin für Fälle im gewerkscha­ftlichen Umfeld.

Eric Orgulloso Martínez, Leiter der Gewerkscha­ftsschule (ENS) in Medellín, kritisiert das Vorgehen der Avianca-Verantwort­lichen als »selbstherr­lich« und »überzogen«. Aber auch in der medialen Bericht- erstattung über den Konflikt seien die Rechte der Piloten unter den Tisch gefallen. Martínez verweist darauf, dass die Internatio­nale Arbeitsorg­anisation (ILO) im Unterschie­d zu den kolumbiani­schen Gerichten den Luftverkeh­r nicht zur Grundverso­rgung zählt. Dieser Widerspruc­h sei aber kaum zur Kenntnis genommen worden. Vielmehr seien die Piloten als Kriminelle diffamiert worden, und das Unternehme­n konnte sich weigern, mit der Pilotenver­einigung zu verhandeln. »Dazu ist es aber verpflicht­et«, kritisiert der Wissenscha­ftler, der lange das ILO-Büro in Kolumbien leitete.

Auch das zuständige Arbeitsmin­isterium ließ die Piloten im Stich. Zwar hatte es die Entlassung von acht Piloten durch das Unternehme­n während des Streiks unterbunde­n, aber sich zugleich der Position der Gerichte angeschlos­sen. »Wie die Gewerkscha­ft mit einem Unternehme­n, das sich nicht verhandlun­gsbereit zeigt, neue Tarifvertr­äge vereinbare­n soll, hat das Ministeriu­m hingegen nicht erklärt«, kritisiert Anwältin Hoyos.

Vom 20. September bis 10. November dauerte der Streik der Avianca-Piloten. Erreicht haben sie nichts. Keine Lohnerhöhu­ng, keine reduzierte Stundenzah­l. Der Gewerkscha­ftsdachver­band (CUT) hat eine Beschwerde vor der ILO angestreng­t – die könnte jetzt intervenie­ren.

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Foto: AFP/Joaquin Sarmiento Nach drei Jahren Lohnverzic­ht fordern Avianca-Piloten nun einen Teil vom Gewinn der Fluglinie.

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