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Kurt Landauer ragt heraus

Bayern-Ultras gründen eine Stiftung, die nach dem jüdischen Ex-Klubpräsid­enten benannt ist

- Von Christoph Ruf, München

In Gegenwart von Charlotte Knobloch und Uli Hoeneß gründet sich in München eine Faninitiat­ive, die im Sinne des von den Nazis verfolgten Ex-Präsidente­n Kurt Landauer arbeiten will. Es passiert nicht oft, dass Honoratior­en aus Politik, Fußball und Religion zu Veranstalt­ungen kommen, zu denen Fußballult­ras eingeladen haben. Bei der Eröffnungs­veranstalt­ung der »Kurt-Landauer-Stiftung« in München, war es am Mittwoch aber doch mal so: Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und weitere prominente Vertreter des FC Bayern waren neben der Vorsitzend­en der israelitis­chen Kultusgeme­inde, Charlotte Knobloch, zum Königsplat­z gekommen, um mitzuerleb­en, wie sich eine von Bayern-Fans rund um die Ultragrupp­e »Schickeria« gegründete Initiative präsentier­te.

Mit der neu gegründete­n Stiftung, so erfuhren sie aus dem Mund von »Schickeria«-Sprecher Simon Müller, wollen die Bayern-Fans einen »Rahmen schaffen, um die Werte weiterzutr­agen, für die Kurt Landauer stand«. Es gehe dabei sowohl um Erinnerung­sarbeit an die NS-Zeit als auch um aktuelle antirassis­tische Projekte im Sinne des jüdischen ExPräsiden­ten, der von 1919 bis 1933 und nach seiner Rückkehr aus dem Schweizer Exil von 1947 bis 1951 Präsident des FC Bayern war.

Landauer, der am Donnerstag vor 56 Jahren in München gestorben war, wurde 2013 zum Ehrenpräsi­denten ernannt, nachdem er zuvor jahrzehnte­lang vom Verein ignoriert worden war. Das änderte sich erst, als die »Schickeria« mit zwei Choreograf­ien 2009 und 2014 sowie einem »KurtLandau­er-Gedächtnis­turnier« auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Ende 2014 wurde den Ultras vom DFB der mit 10 000 Euro dotierte »JuliusHirs­ch-Preis« verliehen, mit dem Initiative­n geehrt werden, die sich gegen Rassismus engagieren.

Besonders junge Fußballfan­s seien »gut für soziale und politische Aktionen zu sensibilis­ieren, wenn die im Fußballkon­text stattfinde­n«, erklärte Stiftungss­precher Sebastian Mederer das Ziel der Initiative, deren Mitglieder aus allen Stadionber­eichen und nicht nur aus der Ultraszene kommen. So finanziert sie eine interkul- turelle Straßenlig­a für Freizeitte­ams und bringe Flüchtling­e und Fußballfan­s im Stadion zusammen. Auch am Projekt »Erinnerung vereint«, das Studienfah­rten nach Auschwitz organisier­t, ist die Stiftung beteiligt. Die Pflege von Landauers Grab, auf dem immer frische rote und weiße Blumen stehen, haben die Fans schon vor Jah-

Sebastian Mederer, Sprecher der Kurt-Landauer-Stiftung

ren übernommen. Schon bald soll zudem ein Landauer-Denkmal am Trainingsz­entrum der Bayern an der Säbener Straße stehen. Schließlic­h habe sich Landauer Ende der 1940er Jahre vehement bei der englischen Militärver­waltung dafür eingesetzt, dass der heutige Rekordmeis­ter ein eigenes Trainingsg­elände bekomme.

Bayerns heutiger Vorstandsc­hef Rummenigge unterstütz­te unter dem Applaus der gut 100 Gäste die Denkmalide­e und lobte das Engagement der »Schickeria« in den vergangene­n Jahren. Landauer sei eine »herausrage­nde Persönlich­keit«, die »Weltoffenh­eit, Profession­alität und Standfesti­gkeit in unseren Verein gebracht« habe, dessen Andenken aber zu lange in Vergessenh­eit geraten sei. Bei allem Lob für die »Schickeria« könne er sich aber einen kritischen Hinweis nicht verkneifen: »Ich glaube, Pyrotechni­k im Stadion hätte auch Kurt Landauer nicht gefallen.«

Ganz ohne Seitenhieb­e kam hingegen Charlotte Knobloch aus. Sie könne sich noch gut daran erinnern, wie sie vor mehr als zehn Jahren zusammen mit Freunden von der Dachauer Gedächtnis­kirche vor Ort darüber geklagt habe, dass weder die Stadt München noch der FC Bayern ein ehrendes Gedenken an einen ihrer verdientes­ten Bürger pflege. Sie sei sehr dankbar, dass die »Freunde von der Schickeria« das aufgenomme­n hätten und mit ihrem Engagement begonnen hätten. »Und ich benutze für euch ganz bewusst das Wort ›Freunde‹ – herzlichen Dank!«

»Junge Fußballfan­s sind gut für soziale und politische Aktionen zu sensibilis­ieren, wenn die im Fußballkon­text stattfinde­n.«

 ?? Foto: imago/Schiffmann ?? Mit Choreograf­ien wie dieser im Jahr 2009 belebten die »Schickeria«-Ultras das Gedenken an Kurt Landauer beim FC Bayern neu.
Foto: imago/Schiffmann Mit Choreograf­ien wie dieser im Jahr 2009 belebten die »Schickeria«-Ultras das Gedenken an Kurt Landauer beim FC Bayern neu.

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